Andere Sichtweisen
Kininigen Blog
Das römische (Un)Recht.
Rom wollte immer herrschen,
und als seine Legionen fielen,
sandte es Dogmen in die Provinzen.
Heinrich Heine
Wie ich bereits im Beitrag Mensch/Person schrieb, dachte ich, als ich den Beitrag über das Kollateralkonto beendete, daß Thema Sklaverei und römisches Recht breit genug abgehandelt zu haben und das es nun abgeschlossen sei.
Jedoch brachte mich die Notwendigkeit, den Begriff der Person aufzuarbeiten, wieder zurück zu dem Römischen Recht.
Ohne das Verständnis dieses Rechts und seiner Geschichte, seines plötzlichen und seltsamen Wiederauftauchens aus der Versenkung, wo es auch definitiv hingehört, ist das Erklären der uns bis heute noch überall verfolgenden Rechtsverhältnisse und des angewendeten „Rechts“, nicht möglich. Denn das römische Recht wird überall genauestens umgesetzt und knechtet uns noch heute.
In diesem Beitrag werde ich kurz die Geschichte umreißen unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse kluger Männer der Vergangenheit.
Leider wahr:
Rom ist nie gefallen
Das römische Recht erlangte das Ansehen eines gesetzlich geltenden Rechts, nur langsam und schleichend und das Wiedererwachen des römischen Rechts, liest sich zum Teil wie ein spannender Krimi. Zu seltsam das Wiederauftauchen in der Geschichte der Völker. Zu gut organisiert und umgesetzt. Heutzutage würde man sagen, wohlgeplantes Marketing – oder weltweite Verschwörung.
Nachdem die Völker, nach dem Fall Roms, von dem Römischen Recht mehrere Jahrhunderte verschont wurden – denn dieses Römische „Recht“ war nie ein Recht des Volkes sondern schon immer das Recht der Herrscher, tauchte es plötzlich wieder aus der Versenkung auf und wurde gleichzeitig in sämtlichen Länder getragen. Das Volk bzw. die Völker, hatten an diesem sogenannten Recht gar kein Interesse oder Bedarf, so fremd und unpraktikabel war es. Aus diesem Grund war auch der Widerstand im Volke, bei der Wiederetablierung, groß. Es wollte keiner haben und es hatte den Völkern nie gefehlt. Es musste ihnen erst wieder aufgezwungen werden.
Der Legende nach, gründete Irnerius, der Stifter der Glossatorenschule für das Römische Recht, der gar kein Jurist war, sondern ein Lehrer freier Künste, eine eigene neue Schule hierfür, wo es gelehrt werden sollte. Angeblich wurde er von dem Inhalt, der von ihm aufgefundenen Teile des Corpus Juris so sehr angezogen, daß er daraufhin sogar diese Schule für das römische Recht gründete. Er behandelte den Stoff auch nicht als ein praktischer Jurist, sondern als ein gelehrter Forscher, welcher niemals Studien hierüber gemacht hatte oder das Ganze jemals auf praktische Umsetzung prüfte. Seine Schüler, die urplötzlich von überall her zu dieser Schule ströhmten, um etwas zu lernen was vorher keinen interessierte, trugen es dann weiter in die verschiedenen Länder, woher sie kamen. Sie lernten es dort dann also brav, traten ganz in ihres Lehrers Fußstapfen, stellten das Ganze niemals in Frage oder untersuchen es und trugen es hinaus in die Welt.
Ab dem 15. Jahrhundert wurde es dann an den deutschen Universitäten als solches gelehrt. Man berief dann diese gelehrten Juristen in die Gerichte und erließ Gerichtsordnungen, in welchen vorgeschrieben wurde, anstatt nach dem gültigen, allgemein überall anerkannten heimischen Recht, welches dem Volk bekannt war und nach welchem dieses auch lebte, nach dem römischen Recht zu entscheiden.
Der ganze Rezeptionsprozess der Aufnahme des römischen Rechts in Deutschland, unter Verdrängung des dort herrschenden und gelebten Rechts der Germanen, mutet schon sehr seltsam und rätselhaft an und man kommt nicht umhin sich zu fragen, welche verborgenen Kräfte denn dahinter wirkten, das Ganze steuerten und wer denn solch ein Interesse, an so einem Vorhaben gehabt haben könnte.

"
Georg christoph
lichtenberg
Um sicher Recht zu tun, braucht man sehr wenig vom Recht zu wissen.
Allein um sicher Unrecht zu tun, muss man die Rechte studiert haben.
In seinem Buch „Die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland“ aus dem Jahre 1868 beschrieb Dr. Carl Adolf Schmidt, Oberappelationsrat zu Rostock, diesen Rezeptionsvorgang als „eine Anomalie und unheimlich“. Er benannte das römische Recht „als ein fremdes Recht, welches weder den Zuständen, noch den Bedürfnissen des praktischen Lebens des Volkes entspricht“. Er befand auch, daß es dabei das „Seltsamste sei, das der ganze Vorgang uns nicht beunruhigt“ und dies schrieb er wohlgemerkt vor über 150 Jahren. Sogar Rudolf von Jhering, ein hoher Verfechter und Vorantreiber des römischen Rechts, erklärte damals unumwunden, daß „das römische Recht unsere Nationalität zerstört“.
Zu der damaligen Zeit waren die Kreise der Gelehrten noch nicht der völligen Lobotomie anheimgefallen, wie es heutzutage ist. Es waren sehr laute und warnende Stimmen, die diese feindliche Übernahme, kritisch ansahen und diese auch thematisierten und diskutierten. Friedrich Wilhelm Ungerer beschrieb diesen Zustand in seinem Buch „Römisches und Nationales Recht“ 1848 mit den folgenden Worten:
„Namentlich in dem deutschen Vaterlande, stehen sich in diesem Augenblicke die Parteien gleichsam mit gezücktem Schwerte gegenüber… es sei ein entwurzelter Irrtum der studierten Juristen, welche dem Gesetzesbuch Justinians Geltung in Deutschland einräume, während doch im Bewusstsein des Volks ein ganz anderes Recht lebe, dessen Erkenntnis aber den verblendeten Universitätslehrern und ihren gläubigen Schülern fehle.“
Wenn wir uns die Welt und unser Rechtssystem heutzutage anschauen, kann man wohl ruhigen Gewissens sagen, daß diese feindlichen Übernahme erfolgreich gewesen war. Und der Umstand, der den damaligen Rechtsgelehrten so seltsam, unerklärlich und so beunruhigend erschien, daß etliche Autoren sich dieser Thematik widmeten, um die Ursache zu finden, ohne diese genau fassen zu können, den erleben wir in unseren jetzigen Zeiten in der vollen Blüte.
Die Rechtslage
Heutzutage
Das Römische Recht ist allgegenwärtig. Alle Gerichte sind private Gerichte, die den Menschen eine Rechtsstaatlichkeit vorgaukeln, im Schein einer blassen Erinnerung an Gerechtigkeit, die sich wie eine Fata Morgana am Horizont spiegelt.
Die Judikative, Legislative und die Exekutive spielen alle im selben Team, Hand in Hand, als übermächtigerer Gegner der Menschen. In Deutschland wurde die Staatlichkeit der Gerichte, welche von Kaiser Wilhelm II eingeführt wurde, 1950 wieder aufgehoben. Seit dem ist alles Privat. Private Gerichte, welche den wirtschaftlichen Zwecken dienen.
Somit werden wir von und vor Institutionen privater Natur gerichtet, welcher wir uns mit den versteckten Verträgen, die uns untergejubelt werden, unterworfen haben und haben nicht die blasseste Ahnung davon.
Das Ergebnis ist die Verwunderung ob der Ergebnisse, welche bei Verhandlungen herauskommen, bei welchen dann in Sachen Sowieso verhandelt wird und die Verbitterung derer, die das Pech hatten, unter die Räder dieser Maschinerie, die sich Gerichtsbarkeit nennt, zu geraten.

Gechrichtsverfassung vor 1950
gültig Früher
§15.
Die Gerichte sind Staatsgerichte.
Die Privatgerichtsbarkeit ist aufgehoben…
Gechrichtsverfassung nach 1950
gültig derzeit
§15.
weggefallen

Wer die Vergangenheit Kontrolliert, kontrolliert die Gegenwart.
Das Römische Recht
Wie kam es denn dazu und wieso?
Hier müssen wir einen Bogen der Geschichte ziehen, um dann wieder auf das römische Recht und dessen Rezeption zurück zu kommen. Wenn es dem Leser dieser Zeilen so ergangen ist, wie mir in meiner Schulzeit und der Inhalt des Geschichtsunterrichts aus intensivster, alljährlicher, monotoner Wiederholung einer einzigen Thematik bestand, so wird er vielleicht in der Schule die alte Geschichte in Form von:
„Es gab Römer. Sie waren eine überragende Hochkultur. Herrschten über die ganze Welt. Aus unbekannten Gründen ist Rom untergegangen.“
behandelt und gelehrt bekommen haben.
In Anbetracht des klugen und bis zum heutigen Tage gültigen Ausspruches „die Sieger schreiben die Geschichte“ ist es nur logisch, daß an den deutschen Schulen nichts gelehrt wird, was bei den Nachkommen der Germanen Stolz auf ihre Vorfahren hervorrufen könnte und weiteres Hinterfragen von gewissen Dingen nach sich ziehen könnte.
Deswegen kann der interessierte Leser hier vielleicht ein paar Dinge lernen, die die Schule versäumt hat uns weiterzugeben. Der uninteressierte Leser darf gerne das Ganze überlesen.

Ich behaupte die Germanen waren mit ihrer Art, schon immer der Gegner Roms, da die Germanen eine sehr freiheitliche, moralische und ehrenvolle Art der Gesellschaft hatten. Das Germanische Recht war nämlich gänzlich anders, als das der Römer. Dies hängt mit dem inneren Wesen der Germanen zusammen und dazu muss man den Charakter und das Denken der Germanen verstehen, um dann nachvollziehen zu können, warum sie das Gegenteil Roms waren und warum das Römische Recht so gänzlich anders war, als deren gelebtes Recht.
Die Germanen hatten niemals Sklaven in der Form wie andere Völker. Sie hatten die sächliche Dienstbarkeit (Knechte), anstatt der persönlichen Sklaverei der Römer. Das Verschwinden der vollkommenen, römischen Sklaverei verschwand parallel, mit dem der Einwanderung der Germanen. Denn das Germanentum hatte den vorherrschenden Einfluss bei der Ausrottung der Sklaverei des Altertums. Rom hingegen basierte auf dem Sklaventum.
Bei ihren Eroberungen, versklavten die Germanen nicht. Sie zwangen dem Unterlegenen auch nicht ihre Gebräuche und ihr Recht auf.
Das römische Reich war seit jeher von Eroberung, Betrug, Sklaverei geprägt und deren Reichtum war auf Raub begründet. Es war schon immer darauf ausgelegt, daß freie Individuum zu unterjochen, zu kontrollieren, zu reglementieren und zu beherrschen. Somit war das Germanentum in all seiner Art, von Anfang an der Gegensatz dazu und stand der Weltherrschaft im Wege.
Nachdem die Germanen also das erste Rom zu Fall brachten, wucherte der römische Gedanke weiterhin in den Tiefen, wurde von der römischen Kirche als Werkzeug aufgenommen wurde und kroch langsam unbemerkt wieder in die umstrukturierten Völker empor. Das Papsttum breitete sich aus und als der willige Handlange Karl der Große, gierig danach den Ruhm ein Kaiser in päpstlicher Gnade zu werden trachtete, bot sich ihm diese Möglichkeit durch die Eroberung der freien Völker. Dies gelang ihm auch und wurde der erste große Schlag gegen das Menschenvolk.
Rom fiel zwar durch die Germanen, jedoch infizierte es sie auch wie ein langsam wachsendes Virus und befiel somit auch später Germanien wie ein Schimmel, welcher langsam wuchernd das Haus übernimmt.
Die Rache des römischen Reiches, welches seinen ersten großen Sieg mit der Zerstörung des für die Germanen heiligen Irminsuls durch Karl den „Größen“ den Anfang nahm. Diese Wunde blutet bis Heute in den Seelen der Menschen. (hierzu kann ich gerne diesen Artikel „die Urwunde“ hier empfehlen – es erklärt eine der Ursachen für das derzeitige „Duckmäusertum“ der Deutschen).
Aber kommen wir erstmal dazu, den damaligen Gegner Roms, der es erfolgreich besiegte, kennen zu lernen.
"Unterdrückung war der Atem der Rom das Leben gab. Es war im steten Kriege gegen die Menschheit.“
Jacob Venedey "Römertum und Germanentum - Umgestaltung der Sklaverei":
1860
Jacob Venedey - Römertum, Christentum und Germanentum in ihrer Wechselwirkung bei der Umgestaltung der Sklaverei
Während Rom mit Riesenschritten seinem Untergange entgegeneilte, und das Christentum diesen nur noch rascher herbeiführte, trat von der andern Seite ein drittes Element, das der germanischen Sitten und Institutionen, auf, um dem Giganten den Todesstoß zu geben, und auf die Ruinen des Weltreiches den Samen einer neuen Zukunft auszustreuen.
Wir sind gezwungen, hier mehr ins Einzelne einzugehen, und die Sitten und Grundsätze, Gesetze und Institutionen der Germanen etwas näher zu betrachten, da sie unserer Ansicht nach von überwiegender Bedeutung in den Gestaltungen der neuern Zeit sind, und zudem die Hauptrolle in den Verhältnissen, die die Abschaffung der alten Sklaverei herbeiführten, spielen.
Rom hatte die ganze mehr oder weniger zivilisierte Welt besiegt. Nichts hatte seinen Legionen widerstehen können, bis sie endlich auf die germanischen Volksstämme stießen, deren Namen die Römer kaum je gehört hatten. Die Germanen waren ein Kernvolk, in der ganzen Kraft ihrer Jugend, sittenrein, mutig, und eifersüchtig stolz auf ihre fast wilde Freiheit. An jenen Männern eisenfesten Willens, unbeugsamen Mutes, sollte sich der Strom der römischen Eroberungen brechen.
Es liegt außer dem Rahmen meines Werkes, dem Wechsel des Krieges zu folgen, in dem der Mut, die Freiheitsliebe und das Selbstständigkeitsgefühl nach tausend verlorenen oder nutzlosen schlachten einen Feind besiegen lernte, der lange die wilde Unerschrockenheit jener kecken Krieger durch seine Kriegskunst, seine Disziplin und seine Diplomatie im Schach gehalten hatte.
Meine Absicht ist nur, die Grundsätze jenes Volkes, das den Sieger der Welt besiegte, in etwa näher zu charakterisieren. Die Germanen waren ein Barbarenvolk im Vergleiche zu der Zivilisation Roms und des größtenteils des römischen Reiches.
Das Land, das sie bewohnten, war beinahe unbebaut. Große Urwälder, schneebedeckte Berge, Flüsse, die einen großen Teil des Jahres in Eis starrten, waren natürliche Hindernisse, die sich dem Handel und den zur Verbreitung der Zivilisation notwendigen Verbindungen widersetzten. Aber sie widersetzten sich auch dem Einbruch feindlicher Heere, und halfen dem Volke, das jenes Land bewohnte, dem Angriffe des römischen Weltreiches widerstehen.


1860
Jacob Venedey - Römertum, Christentum und Germanentum in ihrer Wechselwirkung bei der Umgestaltung der Sklaverei
Wer die ursprünglichen Institutionen und Gebräuche der Germanen näher studiert, muss sich bald überzeugen, das die eigentliche Sklaverei bei ihnen nicht vorkam…
..bei den alten Eroberern Germaniens die unfreien Leute gar nicht vorkamen, oder wenigstens sehr selten waren, und der Sachsenpiegel und Schwabenspiegel sind ein Beweis dafür, das diese Ansicht bereits in der Zeit, wo diese beiden Gesetzbücher verfasst wurden, die der deutschen Gesetzkundigen war.
Die Verbindungen, die bald zwischen den Römern und den Germanen stattfanden, mussten notwendig die ursprüngliche Reinheit der germanischen Institutionen gefährden; denn nie wird sich ein Barbarenvolk von dem Einfluss, den der Besiegte, wenn er auf einer höheren stufe der Kultur steht, auf dasselbe ausübt, frei zu halten im Stande sein.
Die Germanen fanden in Rom und dem römischen Reiche ganz andere Ansichten über die Sklaverei als die Germaniens über die Knechtschaft. Diese neuen Grundsätze mussten, wie gesagt, notwendig sehr bald ihren Einfluss auf die germanischen Institutionen geltend machen.
Die germanischen Eroberer ließen überall den eroberten Völkern die Gesetze, unter denen sie bis jetzt gelebt hatten. So bestand das römische Gesetz und Recht neben dem germanischen, wie der Römer neben dem Germanen. Eine Zeitlang konnten diese beiden Gesetzgebungen neben einander bestehend sich rein erhalten, bald aber mussten beide sich wechselseitig zu ergänzen suchen, und dann lieh notwendig das germanische Gesetz mehr von dem römischen
1860
Jacob Venedey - Römertum, Christentum und Germanentum in ihrer Wechselwirkung bei der Umgestaltung der Sklaverei
Als Prinzip der Ordnung ausgebildet: einer öffentlichen Ordnung, die die Freiheit ehrte und sie mit mehr oder weniger glücklichem Erfolge durch Volksvertretung, freie Verbindungen und freie Gemeinden, die Folgen des germanischen Prinzips, bis auf unsere Tage verewigte. Moralität, Freiheit, Ordnung waren die Seele des Germanentums. Wir finden dieselben überall in den Urgesetzen der Germanen. Wir haben gesehen, wie die ganze Zivil- und Kriminal-Rechtspflege auf die Moralität des Volkes gegründet war, und nie hat eine höhere, eine edlere Grundidee einen Gesetzgeber begeistert. Die neueste Zeit ist reich an Straf- und überhaupt Rechtstheorien.
Wir haben dieselben auf Abschreckung, Furcht, Drohung, Nützlichkeit, Notwendigkeit, Sicherheit und Besserung gründen gesehen; menschliche und unmenschliche Grundsätze wurden versucht, und alle mit gleich unglücklichem Erfolge als ewige Wahrheit aufgestellt. Aber man verschmähte zu beobachten und zu würdigen, was ein Barbarenvolk nach dem Willen Gottes und der Natur, seines Organs, den es verstand, weil es noch nicht hinlänglich demoralisiert und verdorben war, um sich über die Bedeutung dieser ewigen Stimme zu täuschen, getan und vollbracht hatte…
...gründeten die Rechtspflege auf den Grundsatz des ewigen Friedens unter den Menschen, auf den der Versöhnung, die man dem Kriege und dem Verbrechen gegenüberstellte. Und wenn das, was bei den Germanen nur die Folge eines unerkannten, tiefen Gefühls war, dereinst die Folge eines erkannten Gedankens der Wiedergeburt werden sollte, dann würden die Menschen vielleicht für den, der diesen Gedanken ausspräche, eine Dornenkrone flechten.
Die Versöhnung, der Friede war der Grundsatz, der die ersten Staaten unter den germanischen Volksstämmen geschaffen hat, und die Germanen blieben lange genug dieser Idee voll des Heils für die Gesellschaft treu.




1860
Jacob Venedey - Römertum, Christentum und Germanentum in ihrer Wechselwirkung bei der Umgestaltung der Sklaverei
Wir sahen die Interessen der Menschheit in stetem Kampfe mit dem römischen Lebensprincipe begriffen. Im Gegentheil finden wir die Interessen der Menschheit in den germanischen Institutionen überall vertreten, und die Geschichte zeigt uns, das, so oft ein Volk diese noch heute gegen Unrecht und Vorrecht ankämpfende Grundsätze verlies, die Geisel Gottes und Elend und Unglück über dasselbe kam.
Wir haben gesehen, das das Christentum auf den Grundsatz der Pflicht, der Hingebung und Aufopferung gebaut war; und das das Germanentum denselben Grundsatz zur Basis seiner wesentlichen Institutionen gemacht hatte. Dann aber auch, das das Christentum den Grundsatz der Pflicht nur passiv aufstellte, während er im Germanentum aktiv, und so zu Gesetzen und Staatsinstitutionen wurde. Wie dieser Grundsatz im Christentum nach und nach zur Anerkennung der Menschheit, und später zu einem wirklichen Völkerrechte führte, so hatte er im Germanentum eine ähnliche Folge, und zwar abermals eine unmittelbar tätige, sobald sich die Gelegenheit zu dessen Anwendung bot.
Es ist bekannt, und wir werden später darauf zurückkommen, wie die Germanen in allen eroberten Ländern die Gesetze der besiegten Völker achteten, und für die Eroberer aufrecht bestehen ließen; woraus dann das System der Volksrechte hervorging. Die Germanen standen also wie das Christentum über dem Volksegoismus des Altertums, erkannten die außer ihnen stehenden Völker für eben so berufen, wie sich selbst an, und vermittelten somit ebenfalls den Begriff der Menschheit der neuern Zeit im Gegensatze zu dem Begriffe der auserwählten Völker der vorchristlichen und vorgermanischen Zivilisation. Selten wurden bis jetzt die germanischen Sitten, Gebräuche und Institutionen gehörig gewürdigt.
1860
Jacob Venedey - Römertum, Christentum und Germanentum in ihrer Wechselwirkung bei der Umgestaltung der Sklaverei
Die Germanen rückten als Sieger in das römische Reich ein, und die Römer mussten somit das Geschick des Besiegten erleiden. Die Westgothen zerstörten Rom, und so, da Rom eben das römische Reich war, das Weltreich. Sie forderten von den Besiegten zwei Dritteile der Ländereien.
Das Geschick des Besiegten war traurig genug, aber sicher nicht trauriger als unter der Herrschaft Roms. Unter den Lombarden scheint der Zustand des Besiegten und des ganzen Landes sogar sehr befriedigend gewesen zu sein, wenn man dem Geschichtsschreiber jener Zeit Glauben schenken will. *)
Die Germanen kamen in jene Länder als Sieger, aber zugleich mit Grundsätzen der Freiheit; und wenn der Besiegte die notwendigen Folgen des Sieges über sich ergehen lassen musste, so verbesserte sich doch sein Zustand bald immer mehr in Folge der Grundsätze, die die Germanen überall, wo sie hinkamen, in den Boden legten, und die eine glücklichere Zukunft herbeiführten. In den Städten, wo es keine Ländereien zu verteilen gab, wurden die Folgen dieser Grundsätze bald fühlbar.
Die Freiheit der Städtebewohner wurde fast unmittelbar nach der Eroberung vermehrt. Jeder Bewohner konnte nur durch fünf seines Gleichen beurteilt werden, und alle Bürger nahmen an der Wahl des Richters Teil. *) Da, wo unter den Römern die honorati früher allein berufen waren, die Stadt zu vertreten, finden wir gleich nach der Eroberung alle freien Männer.*)
Die Jurisdiktion der Stadt erweiterte sich, und ihre Richter konnten, was früher ein Vorrecht der Prätoren war, Restitutionen vornehmen.*) Endlich erhielt die Curie das Recht, Emanzipationen vorzunehmen, Tutoren zu ernennen, das früher nur der praeses hatte *)
Ein allgemeiner Grundsatz der Germanen war, das Gesetz jedes Fremden zu achten, und ihn nach demselben zu richten. Dieser Grundsatz ging unberührt aus der Eroberung hervor, und die Eroberer erlaubten den Eroberten, nach ihren Gesetzen zu leben und nach ihnen Recht zu sprechen. Das römische und das germanische Gesetz bestanden eins neben dem andern, und die Institutionen beider Völker hielten eine Zeitlang schritt mit einander, bis sie sich endlich vermischten, und ein neuer gesellschaftlicher Zustand aus diesem Provisorium der persönlichen Gesetze hervorging.




Hier konnten wir uns nun ein Bild machen, von den hohen moralischen und freiheitlichen Werten, die den Germanen zueigen waren und die einen direkter Gegensatz des Römischen Seins, Handeln und Denkens darstellten. Mehr zu Rom und seinem Wesen hatte ich bereits im Beitrag des Kollateralkontos geschrieben gehabt.
Gemäß Überlieferungen trafen die Römer, welche bereits Italien, Griechenland, Ostgallien, Spanien, Nordafrika und in Vorderasien ihre Herrschaft gesichert hatten, im Jahre 113 vor Christus das erste Mal auf die Teutonen, welche dieses römische Heer in einem vernichtenden Kampf besiegt haben. Auch die zweite Begegnung 109 v.Ch. unter der Führung von Marcus Silanus verlief genauso vernichtend für das römische Heer. Trotz dieses Sieges wurde ein Friedensangebot nach Rom gesandt, welches von dem Siegesverwöhnten Rom nicht angenommen werden konnte und zwei Jahre später erneut Lucius Tassius einen Angriff führte und wiederholt im kläglichsten Maße verlor. Auch nochmals zwei Jahre später, im Jahre 105 v.Ch. wurde das Heer von 120.000 Mann von dem teutonischen Heer vollständig vernichtet.
Erst in 101 v.Chr. konnte das große Heer der Germanen mit strategischem Geschick und Taktik des Marius und Angriff von zwei Seiten auf dem Italienischen Boden, in dem heißen Klima, welches die Germanen nicht gewohnt waren, erstmals vernichtend geschlagen werden. Jedoch von dort an, in Kombination mit dem furchtbaren Sklavenaufstand germanischer Sklaven, genährt von ihrem Geist und angeführt durch Spartakus, waren sich die Römer der Bedrohung aus dem Norden gewahr und genötigt dieser Gefahr zuvor zu kommen.
Zu diesem Auftrag fühlte sich also später, der berühmte Julius Cäsar, der Neffe des Marius berufen und focht ebenfalls zahlreiche Kämpfe aus, bei welchen er alle ihm zur Verfügugung stehenden Mittel nutzte. Dieser Umstand ging sogar so weit, daß Tato die folgende Forderung ausstieß:
„im Namen der Menschheit und der Menschlichkeit, solle Cäsar als Verräter und Verletzer alles natürlichen Rechts der Germanen, die er betrogen und hintergangen hat, ausgeliefert werden um den Fluch, den sein Benehmen über Rom bringen muß, abzuwenden. Lasst uns zu den Göttern beten, daß sie um des Feldherrn Wahnsinn und Verbrechen willen, nicht die Soldaten strafen und Rom heimsuchen.“
Trotz des Einsatzes von List, Täuschung und das Gegeneinanderausspielen der Germanischen Stämme durch die Römer, konnte also den Fall Roms nicht verhindert werden.

Rom fiel also trotz allem irgendwann und nach und nach, verschwand mit dem römischen Reich, genau wie die Sklaverei und die Ausbeutung der Völker dadurch, auch das Römische Recht. Wie kam es also dazu, dass dieses Rechtsverständnis, welches weder dem Charakter, noch den Bedürfnissen der Völker und Menschen entsprach, sich zeitgleich überall penetrant und systematisch ausbreitete und nach oben strebte? Keiner hatte es bestellt, keiner gewollt und doch… kam es wieder.
In den folgenden Ausführungen wird man herauslesen können, das es organisiert vonstatten ging und nicht zufällig wie man es uns glauben machen will und auch nicht das es schon IMMER das gültige Recht war.
Dazu geschah all dies gleichzeitig. In vielen verschiedenen Ländern, trotz des Widerstandes der Bevölkerung. In manchen Ländern schneller, in anderen langsamer.
Das, was vor 150 Jahren sich für manche Gelehrten zwar sichtlich manifestierte, jedoch noch nicht greifbar war für sie im Ziel der Ausrichtung, dass können wir Heute, mit der vollendeten Ergreifung der Welt erklären und überall sehen. Die Judikative, Legislative und Exekutive sind alle auf einer Linie und die Menschheit unter ihrer Knute.
Ich behaupte, daß das Wiederaufkommen des römischen Rechts von der Kirche organisiert und vorangetrieben wurde. Das Römische Recht war dem canonischen Recht ähnlich, jedoch noch „unbelegt“, denn damals hatten die Völker noch nicht vergessen was die Kirche an Völkermorden, Betrug am Volk durch Aneignung von den Ländereien und Eigentum, durch Fälschungen von angeblichen Testamenten und Willensbekundungen usw. usf. gemacht hat und sie hätten es auch sicher nicht akzeptiert wenn die Kirche die letzte native Bastion – das Recht auch noch offen übernommen hätte.
Also brauchte der Vatikan etwas „Neues“ um nicht all zu direkt in Erscheinung zu treten, jedoch unter ihrer Kontrolle. Denn das Ziel des Vatikans war schon immer das, was in den Bullen verkündet wurde, auch voll zu manifestieren. Und wie ich bereits im Betrag des Kollateralkontos schrieb, die Sklaven sollten diesmal nicht merken, wie und von wem sie versklavt wurden. Dazu wurden eben die ganzen Handelszonen, Firmen usw. zum Schein einer vorhandenen Staatlichkeit erschaffen. Aufgebaut wie eine Zwiebel. Viele Schichten bedecken das Innere und erschweren es somit jemals zum Kern vorzudringen.
Die Welt lässt sich wesentlich leichter beherrschen mit einem weltweit einheitlichen „Rechtssystem“, welches niemand durchschaut/versteht, außer den vorher auf die Kammer vereidigten, schwörenden und programmierten Juristen.
Wie in den folgenden Zeilen deutlich herauszulesen ist, werden wir in der Geschichtsschreibung keinen direkten Beweis dafür finden. Denn sie kontrollieren nicht nur unser Rechtssystem auch unsere Geschichtsschreibung, im Prinzip alles. Aber wer – sogar bei wikipedia, zwischen den Zeilen lesen kann, dem eröffnet sich ein klares Bild.
Zitat Wikipedia:
„In der Frührezeption waren es vor allem die Klöster und geistlichen Gerichte, die Träger der Rezeption waren. Der Grund hierfür ist in den juristisch ausgebildeten Geistlichen zu sehen, die den Gerichten oder Klöstern vorstanden. Später besetzten in Italien ausgebildete Juristen immer häufiger Verwaltungs- und Rechtsprechungspositionen in den „ultramontanen“ (jenseits der Alpen liegenden) Territorien West- und Nordeuropas und konnten somit die dort anzufindenden juristischen Laien langsam ersetzen. Ab dem 14.Jahrhundert können die neu gegründeten Universitäten als bedeutendster Träger der Spätrezeption angesehen werden. An diesen wurde nach der Gründungswelle Mitte des 14.Jahrhunderts sowohl das justinianische (römische) als auch das kanonische Recht gelehrt. Die Neugründung von Universitäten unterstützte die Ausbreitung des Rechtsunterrichts, so auch im Heiligen Römischen Reich: Prag 1348, Wien 1365, Heidelberg 1386. Die hier ausgebildeten Juristen arbeiteten in den Verwaltungen des Reiches und der Territorien als Richter oder Rechtswissenschaftler. Wegen der Gleichartigkeit der Rechtsquellen kann von einer einheitlichen Juristenausbildung in Kontinentaleuropa gesprochen werden. Diese erste Phase der Rezeption wird mit der Begründung des Reichskammergerichtes 1495 als beendet angesehen. „
Nach Einrichtung des Reichskammergerichts 1495 wurde diesem (und dem Reichshofrat) als oberstem Gericht im Heiligen Römischen Reich eine tragende Rolle bei der fortgeführten Rezeption des römischen Rechtes zugedacht. Obwohl dieses niemals offiziell zum Reichsrecht erhoben wurde und das Reichs-, Landes- und Gewohnheitsrecht (consuetudo) ihm offiziell vorgingen, war es die wichtigste begriffliche Quelle zur Einordnung von Rechtsfiguren in der Neuzeit. Daher wurde das römisch-kanonische Recht von den Richtern auch meist bevorzugt angewandt, da es hier eine klare schriftliche und systematische Fixierung gab.
Wichtig für das Fortschreiten der praktischen Rezeption war ferner die Popularisierung des rezipierten Rechts durch leicht verständliche, deutschsprachige Rechtsbücher römisch-rechtlichen Inhalts, so namentlich und zuerst den Klagspiegel des Conrad Heyden (um 1436), sowie im 16. Jahrhundert u.a. Ulrich Tenglers Laienspiegel und Justin Goblers Rechtenspiegel. Derartige Schriften förderten das Eindringen des römischen Rechts auch in die unteren Ebenen der Rechtspraxis, die zu dieser Zeit noch weitgehend von Nichtjuristen geprägt waren. Mittelbare Folge war eine verstärkte Verrechtlichung des Alltagslebens. Dieses wird später in den den folgenden Ausführungen ganz anders geschildert. Auf Grund der Tatsache, dass das römisch-kanonische Recht nicht als Reichsrecht formell eingesetzt worden war, wurden die aufgestellten Rechtssätze in der Zeit des Heiligen Römischen Reiches fortlaufend der kritischen Prüfung unterzogen. Besonders intensiv gelang diese Auseinandersetzung im Usus modernus pandectarum, der nicht nur eine weitere Epoche in der Rezeption des römisch-kanonischen Rechtes darstellt, sondern dessen Verdienst es ist, dass aus der Rechtspraxis heraus eine einheitliche Rechtsordnung (für das Privatrecht) im Heiligen Römischen Reich gebildet werden konnte.
Man beachte besonders die dreiste Lüge von Wikipedia: „Fortschreiten durch leicht verständliche, deutschsprachige Rechtsbücher“ was in den folgenden Auszügen nachweislich nicht so vonstatten ging und ganz anders berichtet wird. Wikipedia stellt generell die gesamte Rezeption, als eine Art Errungenschaft für die Menschheit dar und verdient auch diesmal den Ruf, den Lügipedia hat. Denn die Rezeption hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind.
Zur Irnireus fällt auf Wikipedia besonders der Satz auf: „Bedeutsam war für den Unterricht zunächst die vorherrschende Kanonistik“
Wir fassen also zusammen. Ein Lehrer für freie Künste, kein Jurist oder in diesem Bereich Tätiger, eröffnet in Italien (wo zufälligerweise ja die Hauptfiliale der Kirche ist) urplötzlich eine Schule für etwas was verschollen, weil unnütz und unpraktisch, war auf. Daraufhin kommen urplötzlich von überall aus den verschiedenen Ländern Schüler herbei, die es willig lernten und daraufhin verbreiteten. Die Sache klingt vieles, aber sicher nicht zufällig.
Dr. W. Moddermann, Professor zu Groningen - Jena 1875
Rezeption des Römischen Rechts
Zwischen 528 und 565 n. Chr. wurde auf Veranlassung des Kaisers Justinian das römische Recht nach einer Entwicklung von ungefähr 13 Jahrhunderten revidiert und kodifiziert. In dieser Form ist es im 15. und 16. Jahrhundert von fast allen christlichen Völkern Europas rezipiert worden, in dieser Gestalt hat es einen beherrschenden Einfluss auf die Entwicklung des Privatrechts ausgeübt und ist es noch immer der Ausgangspunkt unserer wissenschaftlichen Rechtsforschung.
Weil die Rezeption eine der merkwürdigsten Erscheinungen auf rechtshistorischem Gebiete gewesen ist. Wie man auch über den Wert des römischen Rechts und seine Bedeutung für die Gegenwart denken mag, so ist es doch eine unbestreitbare Tatsache, dass es uns in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass es Jahrhunderte lang sein Zepter über dem nationalen Recht geschwungen und die ungestörte Entwicklung desselben aufgehalten, wenn nicht ganz erstickt hat.
Seine große Bedeutung liegt indessen nicht darin, dass es hier oder da zeitweilig gesetzmäßige Geltung gehabt hat diese Bedeutung war vorübergehende sondern darin, dass es unsere ganze Literatur durchdrungen, unsere ganze Rechtsentwicklung beherrscht, unser ganzes juristisches Denken umgestaltet hat, steht die Rezeption des römischen Rechts durch die germanischen Volksstämme schnurstracks in Widerspruch.
Wir sehen Völker, deren Reichtum an Rechtseinrichtungen wir mehr und mehr kennen und bewundern lernen, einen Teil ihres väterlichen, ihres nationalen Rechts aufgeben, und zwar zu Gunsten eines fremden Rechts, das nicht nur nicht mit dem Volke aufgewachsen, sondern überhaupt ungeeignet ist, in das Leben einzudringen, das man vielmehr nur aus einem tausend Jahre vorher in einem Reich mit ganz anderen Staatseinrichtungen und gesellschaftlichen Zuständen aufgestelltem Gesetzbuch kennen lernen kann, welches obendrein in einer nur dem Gelehrten verständlichen Sprache verfasst ist.
Das römische Recht, dem der Stempel der Nationalität so deutlich aufgedrückt ist, das kostbarste Produkt des römischen Volksgeistes zwingt das germanische, von dem es sowohl in weittragenden Grundprinzipien als in tausend Einzelheiten verschieden ist, ihm Platz zu machen. Das tote Recht überwindet das lebendige, ohne Waffengewalt, anfänglich auch ohne Eingreifen des Gesetzgebers. Eine seltsame Erscheinung!
Was ihm zur Zeit seines Bestehens, seiner Blüte und Kraft nicht gelungen : die Rechte fremder Völker zu regenerieren, ein halbes Jahrtausend später gelang es ihm; es musste erst absterben, um seine volle Kraft zu entfalten 1). Und wir haben es hier nicht mit einer kurzen Herrschaft zu tun. Jahrhunderte lang hat der Romanismus sein Zepter geschwungen und, sei es als Gesetz sei es als Canon für unser juridisches Denken, eine Autorität ausgeübt, deren betäubender Einfluss auch in unsern Tagen noch lange nicht überwunden ist.
Vom Standpunkt der Nationalität aus ist das römische Recht ein fremder Eindringling ohne Pass, ohne Legitimation, dem man unerbittlich den Eingang hätte weigern müssen. Was hat es mit der gesamten Vergangenheit“, mit „dem innersten Wesen und der Geschichte“ der germanischen Völker zu tun? Statt es zu rezipieren, hätte man es je eher je besser ausstoßen sollen.
Das römische Recht ist im Lauf der Zeit das unsrige. Als das römische Recht zuerst an unsere Tür klopfte, war es ein Fremdling; „durch das Thor der Nationalität “, sage ich mit Jhering, „ kommt das römische Recht nie in unsere Wissenschaft hinein“ e, d. h. national geworden.
Allerdings wird es Niemand auffallend finden, dass ein Volk eine oder mehrere Rechtseinrichtungen nach denen es ein Bedürfnis empfindet (z. B. Jury, Hypothek, Verjährung, Testament, Rechtswohltat des Inventars u. s. w.) von einem anderen Volke entlehnt; man denke nur an das römische ius gentium, bleibt uns doch der Vorgang der Rezeption ebenso unerklärbar; es bleibt uns ebenso dunkel, warum in solchem Masse das vaterländische Recht dem fremden geopfert worden ist.
Zwar wenn man auch nicht in beschränkter justinianischer Weise das Recht als quasi quodam muro vallatum, quod nihil extra se habeat auffassen will, so ist doch nicht zu leugnen, dass es durch tausend Fäden mit dem Familienleben, mit sozialen Zuständen, mit religiösen und politischen Anschauungen verwebt ist; wie viel auch von auswärts aufgenommen werden mag, der Kern bleibt national.
Durch Gewalt kann eine Zeit lang ein fremdes Recht aufgedrängt werden (wie wir das im Beginn dieses Jahrhunderts in den Niederlanden erfahren haben), aber das aufgedrängte Recht schlägt nicht Wurzel in dem fremden Boden, das beweist der Drang nach nationalen Gesetzbüchern, der sich hier und in Deutschland unmittelbar nach der Restauration kund gab. Und hier haben wir es nicht mit einer kurzen Herrschaft zu tun; Jahrhunderte lang hat das römische Recht geherrscht, obwohl es für die Völker, die es im 15. und 16. Jahrhundert rezipierten, weit weniger passte, als z. B. 1813 das französische Recht für unsere Zustände.
Im oströmischen Reiche, dem Geburtsland des justinianischen Rechtes ging nach Justinians Tode (565) das römische Recht unter einer Flut von griechischen Bearbeitungen, Übersetzungen und Kompilationen verloren, die keine allgemeine rechtswissenschaftliche Bedeutung haben 4). Italien war dazu bestimmt, zum zweiten Mal die Wiege des römischen Rechts zu werden. Im Jahre 554 nach der Vertreibung der Ostgoten aus Italien sanc tionirte Justinian die gesetzliche Autorität seiner schon früher dort verkündigten Gesetzbücher.
Es fragt sich, welches das Schicksal des römischen Rechts von 554 bis zum Jahre 1100 gewesen ist, dem Jahre etwa, in dem mit der Stiftung der Glossatorenschule eine neue Periode anbrach.
Vor Savigny wurde von Vielen angenommen, dass das römische Recht im 6. Jahrhundert spurlos untergegangen sei, um nach einem Todesschlaf von 5 Jahrhunderten im Beginn des 12. Jahrhunderts wie ein Phönix aus seiner Asche wieder emporzusteigen zu Folge der Eroberung von Amalfi durch die Pisaner, der Erbeutung der dort verborgenen, wie es hieß, einzigen Handschrift der Pandekten und eines darauf erfolgten Gesetzes des Kaisers Lothar II., welches befahl, das römische Recht zu lehren und überall in den Gerichten an Stelle des germanischen zur Anwendung zu bringen.
Ursachen des Wiederauflebens im 12. Jahrhundert sind nichts als durchaus grundlose Fabeln. Im ersten und zweiten Teil des soeben genannten Werkes hat Savigny durch eine ganze Anzahl von Beweisgründen gezeigt, dass vom Untergange des weströmischen Reiches (476 bis ins 11. Jahrhundert das römische Recht unter dem Namen Lex Romana (worunter nicht schließlich das Breviarium, sondern bisweilen auch die justinianischen Gesetzbücher verstanden werden) in den meisten Ländern Europas (so im burgundischen, westgotischen, fränkischen, ostgotischen, langobardischen Reich, aber vor Allem in Italien und selbst in England) und in der Kirche (ecclesia vivit lege Romana) bekannt blieb und, wenn gleich nicht in seiner ursprünglichen Reinheit, vielmehr nur in sehr verstümmelter Gestalt und mit wenig glücklichem Erfolg, in den Gerichten angewandt, in der Literatur bearbeitet und mündlich gelehrt wurde. Es ward getragen durch das germanische Prinzip, welches nicht dem Besiegten das Recht des Siegers aufdrang, sondern Jeden nach dem Recht seines Stammes leben ließ. Das germanische Recht hat seinem späteren Unterdrücker das Leben gerettet.
Fest steht jedenfalls, dass wir im Beginn des 12. Jahrhunderts das römische Recht, statt es allmählich mit der römischen Nationalität verschwinden zu sehen, in neuem Glanze erblicken.
Was auch an dieser Erzählung sein mag, nach dem Zeugnis aller Schriftsteller steht es fest, dass Irnerius (um 1113 und 1118 in Urkunden erwähnt, lucerna juris), geborener Bürger von Bologna (wiewohl Böttger 5) ihn ohne Grund zu einem Deutschen Namens Werner hat machen wollen) 6), zu Anfang des 12. Jahrhunderts in seiner Vaterstadt eine Rechtsschule gestiftet hat, deren außergewöhnlicher Blüte nur ihr großartiger, zum Teil noch jetzt merkbarer Einfluss zur Seite zu stellen ist.
Auch die Überlieferung von der Stiftung der Bologneser Rechtsschule durch Irnerius ist vielleicht nicht so wörtlich zu nehmen. Nach Ficker zeigen die Urkunden Irnerius in einem Kreise von rechtskundigen Bolognesen, die seine Zeitgenossen, zum Teil gewiss älter als er sind. Vielleicht hat mit ihm nur eine regere schriftstellerische Tätigkeit der Schule begonnen. Jene Bolognesen treten in den Urkunden als Sachwalter von offenbar größerem Rufe auf, so dass schon vor Irnerius die Schule von Bologna Berühmtheit erlangt haben muss.
Die Glossatorenschule, die nach der Methode ihrer Lehrer diesen Namen empfangen hat, nahm das reine römische Recht zum Ausgangspunkt. Irnerius und seine Nachfolger lasen den Text der justinianischen Rechtsbücher vor, gaben aber dazu nicht etwa einen weitläufigen Kommentar, sondern machten zu dunklen Stellen kurze Anmerkungen juristischen oder grammatischen Inhalts (glossae ad ipsam legum litteram).
Der Ruhm, der von Irnerius, dem sog. primus illuminator scientiae nostrae und von der Bologneser Rechtsschule ausging, verbreitete sich weit über die Alpen nach ganz Süd- und Mitteleuropa. Von allen Seiten strömten junge Leute zusammen, um den Vorlesungen an jener Schule beizuwohnen, in ihr Vaterland zurückgekehrt, mit einem akademischen Grade geziert und von einem Nimbus transalpiner Weisheit umgeben, breiteten sie die im Ausland erworbene Kenntnis des römischen Rechts weit und breit in Europa aus. Woher dieser große Beifall ? Es ist schwer zu entscheiden, inwiefern alle diese auditores durch die Verdienste der Lehrer angezogen und durch Wissensdurst getrieben wurden oder inwieweit auch hier die Mode schon die Hand im Spiel hatte
Noch auf einen andern Fehler will ich aufmerksam machen, weil er vom entscheidendsten Einfluss auf die späteren Geschicke des römischen Rechts gewesen ist, ich meine die abgöttische Ehrerbietung vor dem justinianischen Recht. Schon im 10. Jahrhundert wird, zuerst durch langobardische Juristen, mehrfach die Überzeugung ausgesprochen, dass die lex Romana die lex omnium generalis sei, dass sie eine höhere, universelle, über ihre Volksrechte erhabene Bedeutung besitze.
Die Glossatoren und ihre Nachfolger gehen auf diesem Wege weiter, sie betrachten das römische Recht nicht als das Produkt einer langsamen, regelmäßigen, stetig fortschreitenden Entwicklung, sondern als ein in einem gegebenen Momente aus dem Himmel gefallenes universelles Recht; sie meinen, dass die kaiserliche Kompilation für alle gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnisse sorgen könne und müsse, eine Anschauung die, wie wir sehen werden, durch das sogenannte dominium mundi des seit dem Jahre 800 wieder ins Leben gerufenen Imperator Romanus und das Ansehen der Einen und allumfassenden Kirche kräftige Unterstützung fand.
Unglücklicherweise ging die allzugroße Bewunderung des römischen Rechtes Hand in Hand mit einer ebenso großen und ebenso unverständigen Geringschätzung des nationalen Rechtes. Man nimmt selbst gegen das vaterländische Recht eine feindliche Haltung an und bezeichnet es mehrfach mit dem Namen jus barbarum, asininum, lex sine ratione, jus per homines barbaros et ratione carentes conditum.
Eine natürliche Folge dieser Vorstellungen war es, dass die multitudo illiterata, die kein Verständnis des römischen Rechtes besaß, sondern alles ihrem nationalen Laienstandpunkte aus beurteilte, den Romanisten für erstaunlich dumm gehalten wurde, dass diese es als eine ausgemachte Sache ansahen, dass das Volk nichts vom Recht wisse, dass ein Laie für richterliche Funktionen ungeeignet sei, dass man nur durch das Studium des römischen Rechts juristisch denken lernen könne und dass auch für den praktischen Juristen dieses Studium die Hauptsache sei, während umgekehrt wenigstens in späterer Zeit die Romanisten durch die ungelehrten Schöffen als unpraktische, mit dem Leben nicht bekannte Stubengelehrte verspottet oder als nur auf ihr eigenes Interesse bedachte Betrüger gefürchtet wurden.
Der Gedanke, dass ein wissenschaftlich gebildeter Jurist, ein doctor juris, nur das römische Recht zu kennen brauche und das besondere, einheimische Recht mit vornehmer Gleichgültigkeit ignorieren dürfe, dieser Gedanke der ursprünglich nur im Kopfe einiger Gelehrten bestand, tritt durch den Einfluss der Glossatoren und späterer italienischer Juristen immer mehr in den Vordergrund, auch in Deutschland. Und das ist kein Wunder.
Professor Johann Caspar Bluntschli – 1953
Deutsches Privatrecht
…ich nehme an , dass das römische Recht nicht mit dem römischen Staate untergehen durfte, sondern bestimmt war, auch dem neueren Europa als eine hohe Autorität überliefert zu werden; ich zweifle nicht daran, dass nach Jahrhunderten noch römisches Recht von den Juristen studiert und als ein bleibendes Element auch in dem dannzumaligen Rechte verehrt werde. Aber diese Überzeugung hindert mich nicht , die Art, wie vor nicht gar langer Zeit ziemlich allgemein in Deutschland der Gesetzgebung Justinians offizielle Geltung zugeschrieben worden ist, und wie noch heutzutage viele gelehrte Juristen das Corpus Juris zu betrachten pflegen, für eine der absurdesten Verirrungen und Verkehrtheiten zu halten, in welche der menschliche Geist hat geraten können. Eine Geschichte der Rezeption des römischen Rechts in dem romanischen und germanischen Europa ist leider noch nicht geschrieben, obwohl sie von dem höchsten Interesse für die Geschichte der Menschheit und an fruchtbaren Wirkungen reich sein müsste. Die zweite Hälfte des XV. und das XVI. Jahrhundert scheinen vorzüglich entscheidend geworden zu sein für jene Reception, das XV. Jahrhundert als die Zeit eines erobernden Kampfes für die Autorität des römischen Rechts, die des XVI. als die Zeit der Ausbreitung und Benutzung ihres Sieges.
Vorerst ist zu erwägen, in welchem Sinne und Umfang die Rezeption des römischen Rechts stattgefunden hat. In der Blütezeit und während der Größe und Macht des deutschen Reiches fand wohl die Idee in den Gemütern Zustimmung, dass das römische Reich in dem deutschen fortlebe und die Herrschaft der Welt von den römischen Kaisern auf die deutschen Könige als ihre Nachfolger übergegangen sei; das öffentliche und das Privatrecht aber war doch fast ganz national – deutsch und nur sehr wenig römisches Recht im eigentlichen Sinne bekannt und anerkannt.
Von dem XIII . Jahrhundert an wird von Italien her, auf dessen Universitäten des Studium des wieder entdeckten Justinianischen Gesetzeswerks mit regem Eifer betrieben wurde, einige Kenntnis des römischen Rechts auch in Deutschland verbreitet. Der Sachsenspiegel zwar ist noch völlig rein von diesem neuen Einfluss, im Schwabenspiegel und in den folgenden Rechtsbüchern aber beachten wir die steigende Autorität der römischen „Meister“. Freilich nicht in dem späteren Sinne , dass das ganze Corpus Juris Geltung erlangte, sondern nur so, dass jene Autorität in einzelnen Fällen angerufen und geachtet wurde, und die hergebrachten Institutionen mit Rücksicht auf die römische Jurisprudenz einige Abänderung oder Umbildung erlitten.
Der nationale Charakter des Rechts war noch so sehr überwiegend, dass dem fremden Einfluss nur eine Modifikation des herkömmlichen Rechts zugeschrieben werden kann. Seit der Mitte des XV. Jahrhunderts wendet sich die junge deutsche Wissenschaft mehr und mehr dem Studium des römischen Rechtes zu , und die Erforschung und wissenschaftliche Fortbildung des einheimischen Rechtes wird von den Rechtsgelehrten gänzlich vernachlässigt. Die nun auch auf den deutschen Universitäten gebildeten Doctoren der Rechte vertreten in der Wissenschaft, in den Räten und in den Gerichten vorzugsweise die Autorität des römischen Rechtes, wie dasselbe näher in dem Corpus Juris geschrieben war und von den Glossatoren und der Schule damals verstanden wurde.
Der Widerspruch der ungelehrten Ritter und Schöffen war ein ungenügender Damm, die abweichenden Gewohnheiten der Bürger aber und vorzüglich die der Bauern wurden großteils, soweit die Macht der Gelehrten reichte, missachtet. In dem 1495 gegründeten Reichskammergerichte, welches angewiesen wurde, nach „ des Reichs und gemeinen Rechten zu sprechen“, hatten die Doktoren das Übergewicht der Intellinational – deutsche Recht wurde zwar weder aufgehoben noch ausgeschlossen , sondern war in jenem Ausdrucke inbegriffen. Aber die gelehrten Richter kannten es nicht näher und achteten es wenig , am echtesten noch wenn es sich unter römischen Worten verbarg. Allmählich ging so durch die Wissenschaft und die von ihr geleitete Gerichtspraxis die Rezeption des römischen Rechtes als eines gemeinen Rechtes vorzüglich seit dem XVI. Jahrhunderte vor sich . Man fing an das römische Recht nicht bloß als wissenschaftliche Autorität und als das höchst gebildete und vernünftige Recht (ratio scripta) zu beachten und zu verehren , sondern der Gesetzgebung Justinians eine legale Autorität zuzuschreiben, wie wenn der griechische Kaiser sie für das zukünftige deutsche Reich erlassen, oder der Kaiser und das Reich sie als deutsches Reichsgesetz verkündigt hätten.
Im XVI. und besonders im XVII. Jahrhunderte erreichte diese blinde und knechtische Unterwürfigkeit der Gerichte unter ein fremdes Gesetzbuch , welches dem Volke selbst schon um seiner Sprache willen unbekannt blieb , den tiefsten Grad . Es kam so weit , dass es in manchen Beziehungen zwei Rechte gab , 1) ein gelehrtes in den Gerichtsstuben geltendes, nach welchem die Parteien , wenn sie das Unglück eines Processes hatten , gerichtet wurden , das sie aber , wenn sie selber nicht gelehrte Bildung hatten , weder vor dem Process kannten und häufig auch nach demselben nur in seiner Macht, aber nicht in seinem Geist und Zusammenhang verstanden , das nur in lateinischer Sprache ausgedrückt war ; und 2) ein in der Volkssitte und dem eingewurzelten und herkömmlichen Rechtsgefühle des Volkes begründetes und in den realen Verhältnissen friedlich ortlebendes den Beteiligten verständliches Volksrecht, von dem die Richter nichts wussten noch wissen wollten.
Die allmähliche Aufnahme des römischen Rechtes hat zwar auch auf das Volksrecht einen fort- und umbildenden Einfluss geübt, aber lange nicht in so großem Umfang, wie eine pedantisch betriebene Wissenschaft vorauszusetzen schien. Seit der Mitte des XVIII. Jahrhunderts und vorzüglich im XIX. Jahrhundert nimmt eine entgegengesetzte Richtung an Stärke und Erfolg zu. Die legale Autorität des Corpus Juris ward in großen deutschen Staaten (in Preussen und Österreich) durch die Gesetzgebung aufgehoben und überdem durch die Fortschritte der Wissenschaft beschränkt und erschüttert. Die Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung enthüllt die Wahrheit, dass wenn auch das römische Recht allerdings eine welthistorische und bleibende Bedeutung habe, doch nicht dem ganzen Inhalt des Corpus Juris für alle Zukunft das Ansehen eines geschriebenen Vernunftrechts zugestanden werden dürfe.
Die historische Erkenntnis des Rechts lehrt das römische Recht in antikem römischem Geiste verstehen, und indem sie viele Missverständnisse der Glossatoren und der ihnen nachfolgenden Praxis aufdeckt, zeigt sie zugleich, wenn auch zuweilen wider Willen, wie groß die Kluft sei zwischen dem reinen römischen Rechte und dem Rechtsgefühl und Rechtsbedürfnis der Gegenwart, und wie unnatürlich es wäre, die kleineren Irrtümer der früheren Romanisten, in denen oft ein Stück wahren einheimischen Rechtes eingeschlossen und verborgen war, zu zerstören, und den Hauptirrtum der legalen Autorität des Corpus Juris und der neuen Einführung eines antiken Rechtes aufrecht zu halten.
Die neue Wissenschaft des deutschen Privatrechts endlich wächst auf, lehrt das noch im Leben, mehr als man lange wusste, fortgepflanzte nationale Recht wieder erkennen und ehren, und beachtet mit Aufmerksamkeit die Fortentwicklung des Rechts im Zusammenhang mit dem modernen Verkehr und moderner Lebensweise. Die Wissenschaft wirkt hinwieder auf die Praxis und die Gesetzgebung ein: und wir sehen auf die frühere allmähliche Rezeption des römischen Rechts eine allmähliche Ausscheidung und Zurückdrängung der fremdartigen und unpassenden Bestandteile desselben folgen, und damit die Wiederbelebung und Erweiterung des nationalen und modernen Rechts Hand in Hand gehen. Diese Richtung nimmt unverkennbar zu und hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Über das jetzige Verhältnis des deutschen Rechtes zum römischen lassen sich daher folgende Sätze aussprechen:
1) Eine Vermutung für die Anwendbarkeit des römischen Rechtes besteht nicht.
2) Dem Corpus Juris kommt nicht die Bedeutung eines für Deutschland erlassenen Gesetzbuches zu.
3) Bei jedem Institute ist vorerst zu untersuchen , ob es wirklich in der römischen Fassung rezipirt worden sei. Die Rezeption ist nicht überall gleichmäßig vor sich gegangen , und auch nicht in allen den Fällen zur Wahrheit geworden, wo die Theorie (w . z . B. in der Lehre von den Peculien) eine Zeit lang darüber einig schien. Nur wo die Rezeption wirklich stattgefunden hat oder wo sie außerdem darum begründet erscheint, weil die Lehre des römischen Rechts mit der Natur der Sache übereinstimmt, und als eine Offenbarung des gemeinen menschlichen Rechts betrachtet werden kann, hat dasselbe noch auf Geltung Anspruch. 4) Auch da ist das römische Recht nicht mehr anzuwenden , wo dasselbe zwar eine Zeit lang aufgenommen, aber durch die Gesetzgebung oder durch die neuere Rechtsbildung überhaupt wieder verdrängt worden ist.
Im allgemeinen lässt sich sagen: die Anwendbarkeit des römischen Rechtes bleibt da gesichert. wo dasselbe allgemein menschliche und bleibende Rechtswahrheiten geoffenbart hat, nimmt aber da ab, wo das Ansehen desselben nur auf den Irrtümern der Wissenschaft und der Beschränktheit der Praxis beruht. Im einzelnen kann man übersichtlich behaupten: Auf dem Gebiete des Personen- , Familien- und des Sachenrechts herrscht das deutsche , auf dem des Obligationenrechtes mit Ausnahme des Handelsrechts, welches grösstenteils modern europäisch ist, das römische Recht vor. Das Erbrecht ist sehr gemischt aus beiderlei Elementen.
An diesen Zeilen des Professors Bluntschli lässt sich sehr gut erkennen, dass sich die damaligen Gelehrten gewahr waren, was vor sich ging. Es lässt sich Stolz in den Zeilen erkennen, das das Deutsche Land sich wieder zu besinnen begann, das Römische Recht, als einen Fremdling erkannte. Daß es erkannte, was vor sich ging und dem entgegen wirkte. Diesem Stop der Rezeption, folgte auch der Erlass zu der Staatlichkeit der Gerichte durch Kaiser Wilhelm II. Welche ja dann leider in 1950, nach der Okkupation und Umgestaltung Deutschlands, wieder aufgehoben wurde.
So.. ganz nach der Art eines Souveräns, unerschrocken, eigenverantwortlich und mutig, hast Du lieber Leser dich bis hierhin vorgewagt und all meine Zeilen gelesen. Danke dafür. Ich hoffe damit auch die Autoren, dieser hier zitierter Bücher ein wenig zu ehren und ihr Wissen in dieses Jahrtausend, von welchem sie sicherlich nicht glaubten, das man ihre Werke auch dann noch lesen wird, zu bringen.
Carl Adolf Schmidt - Oberappelationsrat zu Rostock 1868
Die Rezeption des Römischen Rechts
„Es ist eine seltsame und für die Stellung der Rechtswissenschaft zum Rechtsleben der Gegenwart bedenkliche Erscheinung, das grade derjenige geschichtliche Prozess, der den ganzen Entwicklungsgang unseres Rechts bestimmt und dem letzteren seine jetzige Gestalt gegeben hat, eigentlich ein vollständiges Rätsel für uns ist, und das die Wissenschaft auch das Bedürfnis, dies Rätsel zu lösen, kaum zu empfinden scheint.
Der äußere Verlauf des Rezeptionsprozesses ist uns freilich im Allgemeinen bekannt und anscheinend höchst einfach. Dem römischen Rechte ward von der Wissenschaft eine universelle Geltung beigelegt, die es vielleicht vermöge seiner Beschaffenheit verdienen mochte und durch seine Rezeption erlangen konnte, die ihm aber bis dahin, also beim Beginn des Rezeptionsprozesses jedenfalls nicht zukam, und diese Geltung insbesondere für Deutschland aus einem vermeintlichen Zusammenhang dieses Rechts mit dem heiligen römischen Reiche abgeleitet, der, worüber heutiges Tages kein Zweifel mehr ist, in Wirklichkeit nicht bestand.
In Folge des Glaubens, den dieses Dogma fand, erlangte das römische Recht in Deutschland das Ansehen eines gesetzlich geltenden Rechts, und wurde seit dem 15 Jahrhundert in Deutschen Universitäten gelehrt.
Man berief gelehrte Juristen in die Gerichte, und erließ Gerichtsordnungen, in welchen diesen vorgeschrieben ward, nach dem römischen Rechte zu entscheiden ; und so ist denn seit dieser Zeit dasselbe allseitig als geltendes Recht behandelt und von den Gerichten danach entschieden worden. So einfach der Verlauf des Rezeptionsprozesses hiernach aber auch zu sein scheint, so dunkel und rätselhaft wird er uns, wenn wir ihn mit dem vergleichen, was wir sonst aus der Geschichte anderer Völker und aus unserer eigenen früheren Geschichte über die Entstehung und Bildung des Rechts wissen. – Schon darin, das ein Volk sein eigenes Recht, statt dasselbe seinen Zuständen und Bedürfnissen entsprechend weiter zu bilden, mit einem ihm ganz fremden, unter anderen Verhältnissen entstandenen Rechte vertauscht, liegt eine mit den allgemeinen Gesetzen geschichtlicher Entwickelung in Widerspruch stehende Anomalie ; und vollends unglaublich scheint es uns zu sein, das das deutsche Volk sich das römische Recht bloß deshalb angeeignet haben sollte, weil es irriger Weise meinte, das dies sein Recht sei. Das Rätselhafte dabei ist aber grade, das wir dies alles bis ist nicht nachzuweisen vermögen; und dieser Zustand hat in der Tat etwas Unheimliches. Das Seltsamste dabei ist, das diese Ungewissheit uns wenig beunruhigt. Richtig ist allerdings, das die Rezeption des römischen Rechts nichts Zufälliges ist. sie muss ihre Ursachen gehabt, und ebenso muss der Besetzung der Gerichte mit gelehrten Juristen ein praktisches Bedürfnis zum Grunde gelegen haben.
Die Absicht und den Willen, das römische Recht zu rezipieren, hat man in Deutschland zu keiner Zeit gehabt; auch in denjenigen Zeiten, in welchen nach unserer Meinung diese Rezeption vor sich gegangen ist, hatte man davon gar keine Ahnung.
Als im Anfange des Mittelalters germanische Stämme in die römischen Provinzen eindrangen und dort den Grund zu neuen Reichen legten, ward die Provinzialbevölkerung von ihnen weder vertilgt, noch auch eigentlich unterjocht. Ein Teil jener Stämme, wie z. B. die Burgunder und Westgothen, erwarb seine Wohnseite zunächst auf dem Wege des Vertrags mit dem römischen Reiche und gegen die Verpflichtung zur Verteidigung der Provinz gegen äußere Feinde, wodurch denn Existenz und Freiheit der Provinzialbevölkerung von vorn herein gesichert war. Aber auch da, wo der Erwerb sich auf Eroberung gründete, verfuhren die Eroberer in der Regel nach ähnlichen Grundsätzen; und die romanische Bevölkerung wurde nicht nur ein Bestandteil der neu entstehenden Reiche, sondern behielt in denselben zunächst auch ihre nationale Besonderheit, indem die Germanen zwar an ihrem Rechte und ihrer Sitte festhielten, diese aber den Romanen nicht aufdrängten. So blieben römische Sprache, Sitte und Recht in den Provinzen des untergehenden weströmischen Reichs einstweilen erhalten, und es ward namentlich der Fortbestand des römischen Rechts durch das von den meisten germanischen Stämmen angenommene Prinzip, das jeder nach dem Rechte des Volkes, dem er angehöre, zu richten sei, gesichert.
Nach diesem allgemeinen Gesetze geschichtlicher Entwickelung sehen wir denn auch in den neu entstandenen Reichen, mit Ausnahme von Italien, wo besondere Verhältnisse obwalteten, das System der persönlichen Rechte allmählich verschwinden, und die bestehenden Verhältnisse brachten es mit sich das römische Recht dagegen mehr und mehr aus dem praktischen Leben, verschwand.
Die Rechtspflege aber lag in den Händen von Laien, die ihre Rechtskenntnisse und Überzeugungen aus dem Leben und der Praxis schöpften, auch in der Regel nicht einmal die Fähigkeit hatten, sich aus geschriebenen Quellen informieren zu können; und die natürliche Folge eines solchen Zustandes war, das das Recht sich den bestehenden Verhältnissen entsprechend gestaltete und das selbst die Kenntnis des römischen Rechts, so weit sich eben nicht einzelne Reste desselben im Leben erhalten hatten, mit der Zeit verschwand Das das römische Recht im Laufe der Zeit in England, Nordfrankreich und Spanien, in welchem letzteren Lande seine gesetzliche Geltung schon um die Mitte des 7. Jahrhunderts durch ein Gesetz Chindaswinde aufgehoben warb, ganz verschwand, ist unbestritten. Zweifelhafter ist die Sache für das südliche Frankreich und Italien.
Selbst in Italien war die Sache zweifelhaft: „Die literarische Kenntnis des römischen Rechts war auch in Italien sehr dürftig, und wenn, wie es bei einer durch ungelehrte Richter geübten Rechtspflege nicht anders sein kann, das Recht sich unter diesen Umständen den veränderten Verhältnissen, Anschauungen und Bedürfnissen der Gegenwart entsprechend weiter entwickelte, ja fragt sich natürlich, wie groß die dadurch bewirkte Umgestaltung desselben war, und ob das Recht, welches in jenen Städten im 11. Jahrhundert galt, überhaupt noch als römisches Recht bezeichnet werden kann. Die Statuten gehen nicht über das 12. Jahrhundert hinaus, enthalten auch über das Privatrecht verhältnismäßig wenig, und gestatten von der Zeit an, wo Romanisten bei ihrer Abfassung mitwirkten, wie in Italien schon früh der Fall war, keinen sichern Schluss auf das wirklich geltende Recht, weil die Romanisten bekanntlich überall, wo sie zeit dergleichen Geschäften zugezogen wurden, möglichst viel römisches Recht und möglichst wenig lokales und nationales Recht in dieselben hineinbrachten, die Statuten also vom statutarischen und Gewohnheitsrecht nur so viel enthalten, als ihre Verfasser gegen ihren Wunsch und Willen darin aufnehmen mussten. Ebenso sind die späteren Zeugnisse juristischer Schriftsteller über diesen Punkt ganz unzuverlässig, weil die Romanisten nicht nur sehr geneigt waren, alles der Anwendbarkeit des römischen Rechts entgegenstehende Recht einfach wegzuleugnen, sondern es auch für ganz überflüssig hielten, das praktisch geltende Recht genauer zu erforschen“
"Keine zwei Dinge konnten einander an sich fremder sein, als das römische Papsttum und der Geist deutscher Sitten."
Johann Gottfried Herder
Carl Adolf Schmidt - Oberappelationsrat zu Rostock 1868
Die Reception des Römischen Rechts
Irnerius, der Stifter der Schule, war gar nicht einmal ein Jurist, dem es um die Erforschung des in der Praxis geltenden Rechts zu tun gewesen wäre, sondern ein Lehrer der freien Künste, der, durch den Inhalt der von ihm aufgefundenen Teile des Corpus Juris angezogen, diese zum Gegenstande besonderer Studien und Vorlesungen machte. Er behandelte den Stoff auch nicht als ein praktischer Jurist, der zunächst gefragt haben würde, ob und wie weit dies Recht noch praktisch gelte und den bestehenden Rechtszuständen entspreche, hatte auch schwerlich die dazu erforderlichen Studien gemacht, sondern als ein gelehrter Forscher, den de Gegenstand um seiner selbst willen interessiert, und der ihn grade so, wie er sich ihn als Objekt historischer Forschung bietet, darstellen will. seine Schüler, die ganz in ihres Lehrers Fußstapfen traten, hatten von ihrem Standpunkte aus ebenfalls keine Veranlassung, jene Fragen zu untersuchen, weil sie ebenso wie er, das römische Recht in seiner ursprünglichen Herrlichkeit, und nicht in der traurigen Gestalt, die es unter den Händen unwissender Richter angenommen hatte, darstellen wollten.
Anfang des 12. Jahrhunderts trat nun mit der Wiederauffindung des Corpus Juris und der Gründung der berühmten Rechtsschule zu Bologna ein merkwürdiger Wendepunkt in der geschichtlichen Entwickelung des Rechtslebens der germanischen Völker ein; und es begann für das römische Recht eine neue Periode des Glanzes und der Herrschaft.
Irnerius, ein Lehrer der freien Künste zu Bologna, machte die von ihm aufgefundenen Teile des Corpus Juris zum Gegenstande besonderer Vorlesungen; der Ruf der von ihm gestifteten Rechtsschule erfüllte rasch nicht nur ganz Italien, sondern drang auch weit über die Grenzen dieses Landes hinaus, und bald eilten Wissbegierige aus den meisten europäischen Ländern nach Bologna, um dort die Vorträge über das berühmte Rechtsbuch des Kaisers Justinian zu hören.
In England wurde freilich schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts durch Vacarius eine Schule des römischen Rechts gestiftet und dieses längere Zeit hindurch auf den Universitäten zu Oxford und Cambridge gelehrt.
In Spanien war es weniger die spontane Handlung des Volkes, als die gesetzgeberische Tätigkeit des Königs Alfons des Weisen, welche dem römischen Rechte unter heftigem Widerstand des Volkes Eingang verschaffte; und Deutschland namentlich wurde verhältnismäßig sehr schwach und spät in den Kreis der Bewegung gezogen.
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts gegründeten deutschen Universitäten in der ersten Zeit nur canonisches Recht gelehrt ward, und die Versuche, dem Studium desselben durch Berufung von Romanisten an die neuerrichteten Universitäten einen Impuls zu geben, bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts entweder gar keinen oder doch nur einen vorübergehenden Erfolg hatten.
Neben dem römischen Rechte wurde auf den Universitäten regelmäßig auch das canonische Recht gelehrt, welches vorläufig noch eine weit größere praktische Bedeutung hatte; und namentlich besuchte der Klerus, dem ohnehin das Studium des römischen Rechts lange Zeit verboten war, die fremden Universitäten sicherlich weit mehr um des canonischen als des römischen Rechts willen.
Die Glossatoren selbst behaupten eine fortdauernde Geltung des römischen Rechts in diesem Sinne auch gar nicht; sie wussten recht gut, das das zu ihrer Zeit in Italien im Leben und in der Praxis geltende Recht ein ganz anderes war, legten auf diesen Umstand aber nicht das geringste Gewicht, weil dies für diejenige Geltung, welche sie für das römische Recht beanspruchten, ganz gleichgültig war.
Das es daneben in allen Ländern, also auch in Italien sehr viele davon abweichende Lokal- und Partikularrechte gebe, das namentlich in einem großen Teile von Italien langobardisches Recht gelte, und das also das gemeine Recht, welches sie lehrten, und das in Italien praktisch geltende Recht vielfach von einander abwichen, bezweifelten und bestritten sie gar nicht. Diese Differenz zwischen dem von ihnen gelehrten römischen und dem zu ihrer Zeit in Italien praktisch geltenden Rechte beirrte und interessierte sie aber nicht weiter.
Der erste Grund, auf den sich schon die Glossatoren berufen, und auf den sich die gesamte italienische und deutsche Jurisprudenz hauptsächlich stütze, war der Zusammenhang des römischen Rechts mit dem nach der Ansicht des Mittelalters noch fortbestehenden römischen Reiche, vermöge dessen das erstere, so wie es im Corpus juris enthalten ist, wenn nicht für die ganze Welt, doch jedenfalls für die ganze abendländische Christenheit gesetzliche Geltung habe.
Durch die Krönung Karls des Großen zum römischen Kaiser war nämlich nach dem Glauben des Mittelalters das ehemalige römische Weltreich wieder aufgerichtet, oder richtiger ausgedrückt, die Weltherrschaft, welche nach dem Untergange des weströmischen Reichs auf die Griechen übergegangen war, von diesen auf die Germanen übertragen worden. Was aus dieser durch den Papst vollzogenen Krönung für die gegenseitige Stellung des Papstes und Kaisers zu einander folgte, war streitig. Darüber aber, das die damaligen Kaiser die Nachfolger der römischen Cäsaren seien, und das das damals noch bestehende heilige römische Reich mit dem alten römischen Kaiserreich identisch sei, herrschte allgemeines Einverständnis, und dies wurde namentlich auch von den Kaisern selbst, sowie von der Kirche als eine feststehende Tatsache anerkannt. Hieraus folgerten die Glossatoren nun ganz einfach, das das vom Kaiser Justinian publizierte Gesetzbuch noch gegenwärtig für den ganzen Umfang des heiligen römischen Reichs gesetzliche Geltung habe.
Die Glossatoren und ihre Nachfolger gelangten also mit einem Worte, ebenso wie die Humanisten durch das Studium der klassischen Literatur, durch das Studium des Corpus Iuris zu der Überzeugung, das das römische Recht das wahre, allgemein gültige Recht sei; und darin liegt der Grund und zugleich die Erklärung ihres Irrtums. Um zu einem wirtlichen Verständnisse des römischen Rechts zu gelangen, müssen wir, wie Savigny ganz richtig bemerkt, „uns in die Schriften der römischen Juristen hineinlesen und denken, wie in andere mit Sinn gelesene Schriftsteller, ihnen ihre Weise ablernen, und so dahin kommen, in ihrer Art und von ihrem Standpunkte aus selbst zu erfinden, und so ihre unterbrochene Arbeit in gewissem sinne fortzusetzen, “ uns also mit andern Worten auf den Standpunkt eines römischen Juristen stellen und die juristische Denkweise der Römer aneignen.
Die Behauptung, das das römische Recht das wahre vernunftgemäße Recht sei, nimmt daher auch, wie alle auf solchem Wege gewonnenen Überzeugungen und wie die Lehre von der Kontinuität des römischen Reichs, bei den Glossatoren und ihren Nachfolgern von vornherein den Charakter eines Axioms an, und ist von der Rechtswissenschaft seit dieser Zeit als ein Axiom hingestellt, das sich weiter nicht beweisen lässt und von dessen Richtigkeit man sich nur durch das Studium des römischen Rechts überzeugen kann, das aber auch keines Beweises weiter bedarf, weil jeder, der sich durch dieses Studium die juristische Denkweise der Römer aneignet, sich dadurch auch schon von der Richtigkeit dieses Axioms überzeugt.
Durch das Studium des römischen Rechts nämlich lernte der Jurist, wie sie meinten, nicht bloß das gemeine Recht, sondern zugleich die jedem Laien fehlende Kunst juristisch zu denken; vermöge dieser Kunst und der Kenntnis des gemeinen Rechts sei er befähigt, sich in jeder praktischen Lebensstellung mit Leichtigkeit zu orientieren, und sich die für seinen Beruf etwa noch erforderlichen praktischen Kenntnisse ohne Mühe zu erwerben. Nach ihrer Ansicht war also auch für den praktischen Juristen das Studium des römischen Rechts die Hauptsache.
In Italien und Deutschland, wo dem römischen Rechte eine gesetzliche Geltung indiziert wurde, stellten sie sogar die monströse Behauptung auf, das ein wissenschaftlich gebildeter Richter nur das gemeine Recht zu wissen brauche, die Kenntnis der besonderen Orts- und Landrechte also gar nicht von ihm verlangt werden könne, er diese auch von Amtswegen gar nicht zu berücksichtigen, sondern, wenn die Parteien sich nicht ausdrücklich darauf beriefen, den Fall nach gemeinem Rechte zeit entscheiden habe, und das es Sache der Parteien sei, sich auf dieselben zu berufen und nötigen Falls deren Existenz und Inhalt dem Richter gleich andern faktisch zu beweisen.
In dieser Theorie, wonach der Richter von dem einheimischen Rechte nichts zu wissen, sondern nur das fremde in subsidium geltende Recht zu kennen braucht, für denselben also in Bezug auf das principaliter geltende einheimische Recht ein privilegiumm ignorantiae beansprucht wird, zeigt sich am klarsten, in welchem diametralen Gegensatze die Forderungen und Ziele der Wissenschaft und die Interessen und Bedürfnisse des praktischen Lebens zu einander standen.
In Deutschland aber wurde, wie wir sehen werden, ein solches privilegium ignorantiae von den gelehrten Richtern nicht bloß in Anspruch genommen, sondern ihnen auch durch die Reichskammergerichtsordnung und die meisten Hofgerichtsordnungen ausdrücklich zugestanden Begreiflicher Weise wehrte sich das Volk, das an seinem nationalen Rechte mit Liebe hing, gegen eine solche Unterdrückung desselben, und die Rezeption des römischen Rechts nahm dadurch den Charakter eines Kampfes zwischen Wissenschaft und Leben an, indem die Wissenschaft einerseits das römische Recht, welches sie für das wahre vernunftgemäße Recht hielt, zur Geltung zu bringen, und das Volk andererseits sein nationales Recht, welches seinen Lebenszuständen und Bedürfnissen entsprach, zu erhalten und zu schützen suchte.
So hatte auch die Kirche, die sonst kein weltliches Recht über sich anerkannte, das römische Recht als das für sie geltende festgehalten, und in der Kirchenlehre wie in der Staatslehre verknüpfte sich die Idee eines allgemeinen christlichen Weltreiche auf das engste mit dem ehemaligen römischen Reiche und wenn ferner Gott den römischen Bischof zum geistlichen und den römischen Kaiser! zum weltlichen Oberhaupt der Christenheit eingesetzt hatte, so war es offenbar auch sein Wille und Ratschluss, das die Christenheit nach dem römischen Rechte regiert werden solle, dies anscheinend grade das römische Recht sein musste.
Bisher hatte man das Studium fremder Rechte als ein Mittel betrachtet, um dadurch ein besseres Verständnis des einheimischen Rechts zu erlangen, und dasselbe, wo es Lücken hatte, aus jenen ergänzen zu können.
Die Romanisten dagegen kehrten die Sache um. Sie lernten nur das römische, nicht aber auch das einheimische Recht und gingen statt von diesem, vom römischen Rechte aus. Sie dachten und argumentierten daher, weil sie sich die juristische Denkweise der Römer angeeignet hatten, wie Römer, beurteilten jeden Fall, wie ein römischer Jurist ihn beurteilt haben würde, und verfuhren in der Praxis überhaupt so, wie diese es in einer eroberten Provinz gemacht haben würden.
Sie erläuterten und ergänzten daher das einheimische Recht aus dem römischen, ohne erst zu untersuchen, ob es einer Erläuterung und Ergänzung bedurfte. Ihnen fehlte aus demselben Grunde auch jeder Maststab für die Beurteilung der Frage, ob und wie weit das römische Recht den bestehenden Lebensverhältnissen angemessen sei.
Sie gingen im Gegenteil von der Voraussetzung aus, das dasselbe, weil es ihnen von ihrem Standpunkte aus als das wahre vernunftgemäße Recht erschien, auch den Zuständen und Bedürfnissen des praktischen Lebens entsprechen müsse, und kümmerten sich darum, ob das Urteil des Volkes und die praktische Erfahrung damit übereinstimmten, nicht weiter, sondern verlangten als buchgelehrte Reformatoren, das die Praxis sich ihrer Theorie füge.
So lebhaft sie auch von der Wahrheit und Vortrefflichkeit des römischen Rechts durchbringen und so bereit sie auch waren, dasselbe im Leben und in der Praxis anzuwenden, so dachten sie doch gar nicht daran, ihre auf den Rechtsschulen erworbenen Kenntnisse auch dem Volke durch populären Unterricht zugänglich zu machen.
Das römische Recht wurde schon durch die Sprache, in der die Quellen geschrieben waren und deren sich auch die juristischen Schriftsteller bedienten, zu einer Geheimlehre für das Volk; die zu seiner Anwendung erforderliche Kenntnis konnte nur durch gelehrte Studien erworben werden, und die Romanisten waren auch überall nicht im Zweifel darüber, das die multitudo illiterata diese Kenntnis nicht besaß.
Die Gerichte mit gelehrten Juristen besetzt werden müssten, und dachten dabei nicht weiter daran, welche entsetzliche Nachteile daraus für das Rechtsleben entsprangen, welche Tyrannei darin für das Volk lag und wie jede Rechtssicherheit für dieses aufhörte, wenn die Gerichte nach einem Rechte entschieden, welches denen, über deren Angelegenheiten entschieden wurde, unbekannt war, und nach dem diese sich daher auch mit dem besten Willen nicht richten konnten. Die rationalistische Schule des vorigen Jahrhunderts erkannte es doch wenigstens als eine unerlässliche Forderung der Gerechtigkeit an, das die Gesetze, nach denen die Einzelnen sich richten und zu deren Befolgung sie eventuell durch die Gerichte gezwungen werden sollen, dem Volke publiziert werden müssen, und auf diese Weise dem Einzelnen wenigstens die Möglichkeit gegeben wird, sich über das Recht, wonach er sich in seinen Angelegenheiten zu richten hat, zu informieren und dadurch vor schaden und Nachtheil zu bewahren.
Die Romanisten aber hielten dies von ihrem humanistischen Standpunkte aus nicht für nötig; ihnen schien es genügend, wenn nur die Richter das römische Recht kannten und danach entschieden. Das darin auch dann, wenn dieses Recht wirklich das wahre vernunftgemäße Recht gewesen wäre, eine Ungerechtigkeit und Tyrannei gegen das Volk lag, daran dachten sie nicht; und es fiel ihnen daher auch nicht ein, das, wenn die Wissenschaft dem Volke ein besseres Recht bringen wollte, es doch unter allen Umständen ihre erste Pflicht war, dasselbe durch populären Unterricht zum Gemeingut des Volks, das sich danach richten sollte, zu machen, und das dasselbe erst dann, nachdem und soweit dies geschehen, in der gerichtlichen Praxis zur Anwendung kommen durfte.
Die Sache steht vielmehr umgekehrt so, das die Schöffen mehr und mehr von den gelehrten Juristen aus den Gerichten verdrängt wurden, weil man sich schließlich davon überzeugte, das sie sich die nötige Kenntnis vom römischen Rechte nun einmal nicht verschaffen konnten, und das daher die Gerichte, wenn sie nach diesem Rechte entscheiden sollten, mit gelehrten Juristen besetzt werden mussten. so lange die Rechtspflege in den Händen der Schöffen blieb, war jene Macht gering, weil die Wahrscheinlichkeit, das die Schöffen auf das römische Recht rekurrieren würden, gering war.
Sobald dagegen die Romanisten in die Gerichte traten, oder aus anderen Gründen das Ansehen des römischen Rechts und der Glaube an seine Geltung eine solche Stärke erlangt hatte, das man sich von der Berufung auf dasselbe einen praktischen Vorteil versprechen konnte, mussten alle Einzelnen sich dieser Situation gemäß verhalten und, wie sie auch sonst über den Wert und die Angemessenheit des römischen Rechts denken mochten, dasselbe in ihren persönlichen Angelegenheiten als geltendes Recht respektieren.
So lange daher die Gerichte mit Laien besetzt waren, kümmerte man sich im praktischen Leben um das von der Wissenschaft aufgestellte Dogma und überhaupt um das römische Recht nicht viel, weil Jeder wusste, das man mit einer Berufung auf dasselbe nicht viel ausrichtete, man daher auch die Berufung des Gegners darauf nicht zu fürchten brauchte;
Die Stellung der Romanisten in den Regierungen war nun im Wesentlichen der, die sie zuerst in den Gerichten einnahmen, ganz gleich. Sie hatten wie dort die ungelehrten Beisitzer, hier die ungelehrten Räte zu Gegnern, und mussten sich, wenn sie überhaupt einen Einfluss gewinnen wollten, ebenfalls die nötige Kenntnis der Zustände verschaffen, um durchführbare Ratschläge erteilen zu können. Im Allgemeinen aber musste es ihnen, wenn sie Letzteres taten und praktisches Geschick besaßen, in den Regierungen leichter werden als in den Gerichten, sich einen Einfluss auf die Geschäfte zu verschaffen.
Abgesehen nämlich davon, das ihnen, die mit der Feder gewandt waren, von selbst alle schriftlichen Ausarbeitungen anheimfielen, und sie caeteris paribus den ungelehrten Räten durch ihre wissenschaftliche Bildung und Kenntnisse überlegen waren, kam es hier nur darauf an, das sie sich das Vertrauen des Fürsten zu erwerben vermochten, und dabei kam ihnen denn vortrefflich zu statten, das das römische Recht dem princeps eine absolute Gewalt beilegt, und das sie demzufolge absolutistische Grundthese verteidigten, welche, wenn sie nur praktisch durchführbar erschienen, den Fürsten ganz willkommen sein mussten.
Der Einfluss, den die Romanisten in den Regierungen erlangten, war nun aber begreiflicher Weise für die Rezeption des römischen Rechts von der allergrößten Bedeutung. – Sie verfuhren in den Regierungen natürlich grade so wie in den Gerichten, und führten also das römische Recht in derselben Weise in die Regierungspraxis ein, wie die gelehrten Richter in die gerichtliche Praxis; und ihre Stellung gab ihnen daneben die beste Gelegenheit, einerseits auf die Besetzung der Gerichte mit gelehrten Richtern hinzuwirken, und andererseits dem römischen Rechte auf dem Wege der Gesetzgebung Eingang zu verschaffen.
Der Kausalnexus, der zwischen der Besetzung der Gerichte mit gelehrten Richtern und dem Eindringen des römischen Rechts in die gerichtliche Praxis bestand, konnte dem Volke unmöglich verborgen sein; und es fragt sich daher, weshalb denn das Volk, wenn es nicht wollte, das das einheimische Recht durch das römische Recht verdrängt werde, die Romanisten überhaupt in die Gerichte berief, oder sie wenigstens nicht, sobald man die daraus für das einheimische Recht entspringenden Gefahren erkannte, wieder aus denselben entfernte.
In Frankreich und England viel leichter und früher in die Gerichte gelangten, als in Deutschland und in der Schweiz. In jenen Ländern wurden sie schon durch den Umstand, das dem römischen Rechte nur die Bedeutung einer ratio scripta zugestanden wurde, zu einem vorsichtigen Auftreten gezwungen. In Deutschland, wo sie einerseits vermöge der dem römischen Rechte zukommenden gesetzlichen Geltung entschiedener auftreten zu dürfen glaubten, und andererseits der rein germanische Charakter des Volks dieses für das römische Recht unzugänglicher machte, gelang es ihnen vorläufig gar nicht, in die Gerichte zu kommen; und es würde ihnen dies aller Wahrscheinlichkeit nach auch später nicht gelungen sein, wenn hier nicht zwei andere Momente den Ausschlag gegeben hätten, welche bei der Rezeption des römischen Rechts ebenfalls eine große Rolle gespielt haben und eine besondere Betrachtung verdienen.
Das Recht als die Norm, durch welche das staatliche Zusammenleben der Menschen geregelt wird, dient nicht zum bloßen Zeitvertreib und zur Verschönerung des Lebens, sondern entscheidet über Mein und Dein; und es ist daher die Wohlfahrt des Ganzen wie des Einzelnen auf das Lebhafteste dabei interessiert, das nicht nur eine feste Rechtsordnung existiert, sondern das auch die zu ihrer Vollziehung bestimmten Organe mit Männern besetzt sind, welche das geltende Recht kennen und richtig anzuwenden verstehen. Sie soll nicht ihre eigene Befriedigung suchen, sondern dem Rechtsleben dienen.
Dadurch, das das römische Recht für das gemeine Recht erklärt wurde, diesem eine Eigenschaft beigelegt, welche zwar, wie wir gesehen haben, niemals bewiesen worden ist, die sich aber auch sehr schwer bestreiten, und bei der, wenn das von den Glossatoren aufgestellte Axiom einmal Glauben gefunden hatte, der ihr zum Grunde liegende Irrtum sich weder entdecken noch nachweisen lies.
Es liegt nämlich in der Natur der Sache, das das gemeine Recht und das in einem bestimmten Rande praktisch geltende Recht von einander vielfach differieren; und sobald die Glossatoren und ihre Nachfolger daher einmal die Überzeugung gewonnen hatten, das das römische Recht das gemeine Recht sei, ließen sie sich auch durch die Tatsache, das ihre Theorie mit der Wirklichkeit nicht harmonierte, das das in Italien praktisch geltende Recht ganz anders war als das, was sie lehrten, und das diese Erscheinung sich später in allen andern Ländern wiederholte, in ihrer Illusion nicht weiter stören. Was mit ihrer Lehre nicht übereinstimmte, war in ihren Augen besonderes Lokal- und Partikularrecht.
Das ein solcher Rechtsunterricht den Interessen und Bedürfnissen des praktischen Lebens nicht entsprach, das im Gegenteil die Lehre des römischen Rechts, wenn damit nicht die Lehre des seine praktische Anwendbarkeit bestimmenden Orts und Landrechts verbunden wurde, in der Praxis Unheil und Verwirrung hervorrufen musste, war klar; und es wurden auch überall die bittersten Klagen darüber laut, das die auf den Universitäten gebildeten Juristen von dem einheimischen Rechte nichts gelernt hätten. Dies hatte aber auf die Haltung der Wissenschaft nicht den geringsten Einfluss.
Aus diesen Zeilen, von vor über 150 Jahren, lässt sich die bei den sogenannten gelehrten Juristen vorherrschende Ignoranz, Selbstgerechtigkeit und Arroganz sehr deutlich herauslesen. Diese Ausführungen lassen sich 1 zu 1 auf unsere heutige Zeit übertragen. Der ein oder andere Leser wird mit den 12 BAR Vermutungen bereits vertraut sein. Die, die es nicht sind, denen ist es sehr ans Herz gelegt, mal nach Diesen, eine Suchmaschine ihrer Wahl zu bemühen.
Es ist sehr erhellend und aufschlussreich, was denn der Juristenstand von uns so denkt und als eine Vermutung in den Raum stellt und nach dieser auch verfährt. Jegliche Handlung unsererseits wird dann von denen als Zustimmung, zu ihrem verquerem Weltbild ausgelegt und als Bestätigung dieser Vermutungen gesehen. Die Juristen schwören IMMER einen Eid auf die BAR Gilde. Jedes Land hat dabei eine Eigene, welche jedoch alle, weltweit die gleichen Richtlinien haben.
Professor Johann Caspar Bluntschli – 1853
Deutsches Privatrecht
Untersuchung der Umstände zu schreiten, welche außer ihrem Einfluss dazu mitgewirkt haben, dem römischen Recht in Deutschland und anderwärts Eingang zu schaffen. Vor allem weise ich auf den Umstand hin, dass im Jahre 800 Karl der Große zu Rom durch Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt wurde und dass seit Otto I. 962 der König von Deutschland regelmäßig zugleich die Kaiserkrone trug und Herr von Norditalien war, ein Umstand, der zu der im Mittelalter in Italien und Deutschland allgemein durch Dekretisten, Feudisten und Legisten gebilligten Meinung geführt hat, dass das Reich, dessen Krone die deutschen Kaiser trugen, eine Fortsetzung des römischen Reiches sei.
Das Ansehen der italienischen und französischen Universitäten war in Folge davon bereits im 13. Jahrhundert so hoch gestiegen, dass ihnen mehrfach die Entscheidung von Fragen, namentlich staatsrechtlicher Art übertragen wurde. Natürlich legten sie ihren Gutachten und Rechtssprüchen neben dem canonischen Recht, das römische Recht zu Grunde. Dies ließ allmählich auch in Deutschland das Verlangen nach solchen Schulen rege werden. Karl IV. kam demselben nach, indem er 1348 in Prag eine Universität stiftete welcher im 14. und 15. Jahrhundert in Deutschland eine Reihe anderer folgte, die wie die englischen nach dem Muster von Paris (das seit dem 13. Jahrhundert namentlich für Theologie und canonisches Recht in hohem Ansehen stand), eingerichtet waren, unter andern Wien 1365, Heidelberg 1382, Köln 1388, Erfurt 1392, Würzburg 1402, Leipzig 1409 usw…
Gleichwohl hat das canonische Recht, das anfänglich dem römischen im Wege zu stehen schien, seine Rezeption sehr befördert; es hat den deutschen Boden für den Fremdling vorbereitet. Dem canonischen Rechte fehlte es nicht, wie dem römischen an praktischer Anwendung; die für die gesamte Christenheit geltende Gesetzeskraft des corpus juris canonicum wurde nicht angezweifelt ; es wurde überall in den geistlichen Gerichten gehandhabt.
Das canonische Recht stand dem germanischen viel näher als das römische, da es obschon großteils in Italien entstanden, auf christlich germanischen Grundlagen ruhte, sich an moderne germanische Zustände anschloss und doch andererseits soviel von dem römischen Recht entlehnte, dass es ohne Beihilfe dieses Rechtes nicht verstanden werden konnte. Zwar hat sich die Vorliebe der Kirche für das römische Recht (ecclesia vivit lege Romana) seit dem 12. Jahrhundert zu einer entschiedenen Opposition umgestaltet (?), so dass die Päpste eine Zeit lang den Geistlichen bei Strafe der Exkommunikation das Studium des weltlichen Rechts verboten. Aber bald wussten einzelne Geistliche eine besondere Dispensation und ganze Universitäten das Privilegium sich zu verschaffen, dass Geistliche sich auch mit römischem Rechte beschäftigen dürften.
Es steht jedenfalls fest, dass man sich in den geistlichen Gerichten auf die leges berief, lange, ehe man in den weltlichen Gerichten an die Anwendung des römischen Rechtes dachte. So ist das canonische Recht die Brücke geworden, über welche das römische bequem in Deutschland einziehen konnte. Das wachsende Ansehen der Universitäten in Deutschland (wo sie nun auch seit dem Ende des 15. Jahrhunderts um Gutachten angegangen wurden), die kaiserliche Begünstigung des römischen Rechtes und Derer die es studierten, sowie der dadurch steigende Einfluss der Juristen waren nun eben so viele Motive, die neben dem Durst nach Wissenschaft eine Menge von ehrgeizigen Männern zum Studium des fremden Rechtes antrieben.
Indem der akademische Grad einen besonderen Anspruch auf eine ansehnliche Stellung in der Gesellschaft verlieh, bildete sich allmählich ein Stand gelehrter doctores juris, die nicht allein der Geistlichkeit den ausschließlichen Besitz der Kenntnis und der Wissenschaft streitig machten, sondern auch durch Kaiser und Könige begünstigt und zu Gesandten, Kanzlern, Geheimen Räten u. s. w. genannt wurden, wodurch sie einen nicht geringen Einfluss auf die Regierung bekamen. In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die juris doctores, welcher Herkunft sie auch sein mochten, durch Karl IV dem niederen Adel, der nobilis propter scientiam dem nobilis ex genere gleichgestellt. Kurz, das Studium des römischen Rechtes wurde eine Quelle für Ehrenposten und politischen Einfluss, und es war kein Wunder, dass dies wiederum die Juristen antrieb, auf alle mögliche Weise die Weisheit, der sie ihr Ansehen und ihre gesellschaftliche Stellung verdankten, an den Mann zu bringen. Wo sie nur konnten, beriefen sie sich auf römisches Recht und bewiesen aus dem corpus juris selbst, dass der Adel frei von Steuern sei und dass er kein Bier brauen dürfe. Nach dem Muster ihrer italienischen Kollegen begannen sie in ihren Schriften das vaterländische Recht durch das fremde zu erklären, jenes diesem unterzuordnen und bald es ganz zu verdrängen.
So suchte um 1330 Johann von Buch den Sachsenspiegel durch Anmerkungen zu erläutern, die u. A. dem römischen und canonischen Rechte entlehnt waren, und diese Glosse wurde um 1350 durch Nicolaus Wurm vermehrt, der in Bologna studiert hatte und insofern der erste war, welcher die in Italien erworbene Weisheit auf das in Deutschland geltende Recht übertrug. Der Stadtschreiber von Brünn brachte die einheimische Rechtsprechung mit der römischen Doktrin in Verbindung, und verschiedene Schriftsteller suchten die Grundsätze des fremden Rechts in weiteren Kreisen zu verbreiten, indem sie dieselben in deutscher Sprache und in populärer Form entwickelten. Hierzu gehören namentlich die zu Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts ins Deutsche übersetzte Summa des Johann von Freiburg, die zum Teil aus den Pandekten geschöpft ist, der Klagspiegel aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts, ein ziemlich ausführliches theoretisches und praktisches Kompendium und die erste selbständige Entwicklung des römischen Rechtes in deutscher Sprache, vor allem aber der Laienspiegel von Ulrich Tengler vom Jahre 1509, eine systematische Encyclopädie der populären Jurisprudenz, welche dazu dienen sollte, den Laien die gesamte Kenntnis des in Deutschland geltenden einheimischen und fremden Rechts zu vermitteln.
Durch diese Werke war für die romanisierende Rechtswissenschaft die Bahn gebrochen, und je mehr die Anzahl der römisch rechtlich gebildeten Juristen im 15. und 16. Jahrhundert zunimmt, um so allgemeiner wird die Lehre der Sachsenspiegelglosse, dass nämlich das gemeine Kaiserrecht nur da ausgeschlossen ist, wo ein Partikularrecht entgegensteht, anerkannt, und wird es ein Dogma von großer Bedeutung, dass das römische Recht zur Ergänzung und Interpretation des Partikularrechts zu dienen habe. „ Dass unter dem Vorwand der Deutung, fügt Muther hinzu, „ viele fremdländische Rechtssätze eingeschwärzt werden konnten, liegt auf der Hand.“
Stintzing hat in seiner vortrefflichen Geschichte der populären Literatur gezeigt, dass die Bewegung, die auf Rezeption des römischen Rechtes drang, nicht nur von oben, von Fürsten und gelehrten Juristen ausging, sondern dass auch innerhalb der niederen Klassen der Gesellschaft eine solche Strömung Platz hatte, dass auch eine andere Klasse von Menschen als die doctores juris sehr viel dazu beigetragen hat, die Wissenschaft dieser doctores aufs praktische Leben anzuwenden und ihr beim Volke Eingang zu verschaffen.
Es waren dies die sogenannten Halbgelehrten, Schreiber, besonders Stadtschreiber, Geistliche, Notarien, Sekretäre, Consulenten, Advokaten und andere, welche Funktionen ausübten, für die sich der juris doctor, dem es, wie Zasius sagt, nicht passte „ sordibus fororum vel consistoriorum volutari“, viel zu vornehm dünkte. Sie waren die Kanäle, durch welche die Gelehrsamkeit der wissenschaftlichen Juristen, freilich schon sehr verdreht und verunstaltet, den niederen Klassen der Gesellschaft zuströmte, um hier trotz vielem Anstoß und Ärgernis das Bürgerrecht zu erhalten; denn die fere indocti wandten, öfters wohl nur aus eitler Prahlerei, die bei den Doktoren erworbene, nur halb begriffene Weisheit mit plumper, ungeübter Hand auf das wirkliche Leben an, und so drang das römische Recht in die Praxis der niederen Gerichte ein, wodurch auch hier eine Entwicklung begann, welche dem von oben kommenden Einfluss entgegenkam.
Stintzing hat den Beweis dieses Satzes durch die Schilderung der für die Halbgelehrten bestimmten populären Literatur aus der zweiten Hälfte des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts geliefert. Diese beschäftigt sich fast ausschließlich mit dem fremden Recht, sie hat keinen wissenschaftlichen Charakter, bezweckt Die einflussreichere praktische Wirksamkeit der Doktoren im 15. Jahrhundert lag nicht gleich in ihrer Tätigkeit in den Gerichten, namentlich in den territorialen Gerichten gewannen sie erst im Laufe des 16. Jahrhunderts einen tiefergehenden Einfluss, sondern für diese Zeit ganz vorzugsweise in der ihnen von Landesherren, Städten und auch Privatleuten übertragenen Stellung als gewillkürte, als Schieds- oder Vergleichs – Richter. Die Schöffengerichte der alten Gerichtsverfassung verloren das Vertrauen, sie wurden umgangen und oft gerade bei den wichtigsten Rechtsstreitigkeiten bei Seite gelassen.
Anfänglich heftete sich das Vertrauen wohl an die Personen der Beamten, als gelehrte Kenner des römischen Rechts, nach und nach trug sich auch das Vertrauen von den Personen auf das von diesen ausgeübte Amt selbst über. Darin liegt der Keim der späteren Entwicklung der Gerichtsverfassung. Jedenfalls hat dieses Kompromissverfahren eine große selbständige Bedeutung als Mittelglied zwischen der absterbenden Schöffenverfassung und der neu entstehenden territorialen Amts- und Gerichtsverfassung gehabt. Bei diesem vereinbarten Verfahren, bei welchem die das Urteil vorschlagenden Doktoren als Vertrauenspersonen besonders ungebunden waren, wurde römisches und canonisches Recht oft genug angewendet.
Muther hat darauf aufmerksam gemacht, dass das erwähnte Verfahren eine ganz besondere Rolle bei den zahlreichen publizistischen Streitigkeiten der Reichsstände untereinander und auch mit ihren Untertanen gespielt hat und dass dies das eigentliche Feld war, wo die romanistischen und canonistischen Juristen jener Zeit dominierten. Er hebt hervor, „ dass die Rezeption der fremden Rechte in Deutschland von oben nach unten ging, dass dieselben zunächst als wirkliche „ Kaiser- und Reichsrechte “ für die Reichsstände aufgenommen wurden und dann allmählich erst in den Gerichten der Landesherren, Städte und Territorien sich Eingang verschafften, so dass sie auch auf die Verhältnisse der Reichsmittelbaren angewandt wurden “. Er scheidet daher zwischen „ gemeinrechtlicher“ und „ partikularrechtlicher Rezeption “ des römischen Rechts und setzt erstere in frühere Zeit, letztere in das Ende des 15. und den Verlauf des 16. Jahrhunderts.
Der wichtigste Schritt zur praktischen Einführung des römischen Rechts ward im 15. Jahrhundert getan, als die gelehrten Juristen allmählich Einfluss auf die Gerichte und deren Rechtsprechung bekamen, ein weiterer, diese praktische Einführung vollendender im 16. Jahrhundert, als jene die ungelehrten Schöffen ganz aus den Gerichten oder die alten Schöffengerichte mehr und mehr von der Rechtsprechung verdrängten. Die praktische Anwendung des römischen Rechts blieb eben unmöglich, so lange nicht die Gerichte, wenigstens teilweise, mit Romanisten besetzt wurden: „Denn da erst“, sagt Franklin mit Recht, „ward den römisch gebildeten Juristen die Möglichkeit geboten, die Aufnahme, Beobachtung und Anwendung des fremden Rechts zu erzwingen.“
Dass es dazu kommen musste, kann nicht befremden; die vaterländischen Rechtsquellen werden aus dem römischen Recht erklärt, die Rechtsliteratur beschäftigt sich fast ausschließlich mit dem fremden Rechte, die Contracte und Testamente enthalten mehr und mehr römisch – rechtliche Klauseln, die Parteien werden in judicio durch Personen vertreten, welche mit römischen Kunsttermini und Formeln, mit nichtssagenden Floskeln beginnen, dann zu römischen Rechtsregeln und endlich zu Zitaten aus dem corpus juris übergehen. Wo so das fremde Element auf allen Seiten das Übergewicht bekommt, muss endlich wohl der ungelehrte Schöffe, welcher von diesen für ihn ganz neuen Dingen Nichts versteht, dem gelehrten Richter seinen Platz einräumen, denn ihm werden jedes mal Fragen vorgelegt, die er nicht begreifen kann.
Diese Veränderung ist indessen nicht plötzlich, sondern schrittweise vor sich gegangen, und Stölzel hat gezeigt, dass das Volk selbst die Rechtsprechung den „nach Vernunft, Witz und Gutdünken urteilenden Schöffen entzog, um sie einem frei gewählten, nach wissenschaftlichen Regeln urteilenden, rechtsgelehrten Schiedsmann zu übertragen“. Zunächst wurden die doctores juris Vorsitzende der geistlichen Gerichte; gegen Ende des 14. und im Lauf des 15. Jahrhunderts bekommen sie Sitz in den kaiserlichen Land-, Hof- und Kammergerichten, bei denen der Kaiser die Anstellung hatte. Auch die Städte nahmen seit dem Ende des 14. Jahrhunderts Rechtsconsulenten in Dienst, die als Beisitzer der Stadtgerichte fungierten und die Schöffen aufklären mussten, wenn die vaterländischen Rechtsquellen nicht mehr genügten. Im Lauf des 15. Jahrhunderts haben sie gleichwohl die letzteren noch nicht aus den Stadtgerichten vertrieben.
Mit der Errichtung des Reichskammergerichts als höchsten Gerichtshofes für das ganze Reich (1495), mit der Bestimmung, dass es „ nach des Reiches und geschriebenem Rechte “urteilen und dass es zur Hälfte mit gelehrten Juristen (der Recht gelehrt und gewürdigt), zur andern Hälfte mit ungelehrten Beisitzern aus dem Ritterstande besetzt werden solle (diese Bestimmung wurde 1521 dahin verändert, dass die aus der Ritterschaft hervorgehende Hälfte, soll auch der Recht gelehrt sein, sofern man die haben kann“, kann man annehmen, ist die Rezeption praktisch zur Durchführung gelangt, denn, wie Franklin sagt, „die Rezeption des römischen Rechts in einem bestimmten Territorium kann mit dem Zeitpunkte als vollendet angesehen werden, mit welchem die dauernde praktische Anwendung desselben in den Gerichten beginnt.“
Diese dauernde Anwendung war eine Folge der Errichtung des Reichskammergerichtes. Die Organisation dieses Gerichtes hatte einen entscheidenden Einfluss auf die niederen Kollegien, und wenn auch in diesen noch das vaterländische Recht angewandt wurde, so mussten sie doch, sobald die höchste Instanz für das ganze Reich die Grundsätze des fremden Rechts ihren Entscheidungen zu Grunde legte, wohl folgen, wenn sie nicht immer ihre Aussprüche in der Appellationsinstanz vernichtet sehen wollten und wenn nicht die Einheit der Rechtsprechung ganz gestört werden sollte.
Professor Johann Caspar Bluntschli – 1953
Deutsches Privatrecht
Das Absterben der Lehnsverfassung und damit der von Grundeigentum abhängigen Beziehungen und Banden, die aus dem Lehnsrecht hervorgingen und darin ihre Sanktion fanden, ließ eine Lücke entstehen und u. a, das Bedürfnis nach einem ausgedehnten, fest und scharf begrenzten Eigentumsrechte rege werden, ein Bedürfnis, welches das römische Recht in vollem Masse zu befriedigen im Stande war, war der Untergang der entarteten Ritterschaft und ruft den Adel zu andern Beschäftigungen, auch zu juristischen Studien.
Der mittelalterliche Unterschied der Stände nimmt mehr und mehr ab; ein kräftiger, sich durch Entwickelung und Wohlstand fortwährend hebender Bürgerstand beraubt den Adel seines Übergewichts, und wie Staaten und Völker im Beginn der neueren Geschichte mehr mit einander in Wechselverkehr treten, so wird auch, besonders in den Städten, durch die beständige Berührung und Verschmelzung des Adels mit reichen und ansehnlichen Geschlechtern bürgerlicher Abkunft die Rechtsgleichheit aller Stände erreicht, welche mit den römischen Rechtsgrundsätzen vollkommen im Einklang stand.
Stölzel: „Als das Rechtsstudium im Stande der Laien Wurzel fasste, in welchem bisher das Recht nur praktisch geübt wurde, da bildete sich naturgemäß ein Gegensatz zwischen gelehrtem und geübtem Recht, zwischen gelehrten und ungelehrten Juristen, nicht aber auch ein Gegensatz zwischen römischem und deutschem Recht heraus. Gerade in diesem Umstand liegt der schützende Nebel, welcher der Einführung des fremden Rechts in Deutschland voranging und das Auffällige seiner Erscheinung verbarg.“
Zuzuschreiben ist, in der in der Ley de las Siete Partidas nationales und römisches Recht vereinigt waren, wodurch Spanien, nach Zoepfl, Deutschland mindestens dreihundert Jahre voraus war. Nordfrankreich, le pays du droit coutumier, ward noch weniger vom römischen Recht beeinflusst, die coutumes enthielten dort ohne Widerspruch das positive Recht, und ob das römische da, wo die coutumes nichts vorsahen, auch nur die Kraft einer,, raison écrite “ habe (non ratione imperii, sed imperio rationis) und dann wohl als gemeines Recht bezeichnet werden dürfe, das war schon von Alters her unter den französischen Juristen bestritten).
Die Schweiz hatte gerade in der für die Rezeption entscheidenden Periode die Verbindung mit Deutschland abgebrochen; keine Fürsten beförderten dort das Studium des römischen Rechts oder beriefen gelehrte Doktoren in die Gerichte, um die Schöffen zu ersetzen. Publikanisch gesinnte Volk konnte auch nicht von den absoluten Prinzipien des römischen öffentlichen Rechts eingenommen sein; überhaupt hat die Schweiz ihr nationales Recht behalten und nur sehr geringe Einwirkung von Seiten der romanisierenden Rechtswissenschaft erfahren.
In England wurde das römische Recht durch Vacarius (1149) in Oxford gelehrt, welcher einen in den Werken von Glanvilla (1189) und Bracton (1256) erkennbaren Einfluss ausübte, aber es hat das nationale nicht verdrängen können. Das Volk konnte sich mit dem Satze „ quod principi placuit, legis habet vigorem “ und ähnlichen anstößigen Prinzipien nicht befreunden, und als seit der Mitte des 14. Jahrhunderts als Regel angenommen worden war, dass nur der zu den Funktionen eines Richters, Advokaten oder Prokurators zugelassen werden könne, welcher in den „ inns “ einen theoretischen und praktischen Kursus im englischen Recht absolviert hatte, war, um mit Windscheid zu sprechen, dem römischen Rechte seine Quelle abgegraben.
Wenn man fragt, welche Ursachen in den Niederlanden am meisten zur Rezeption des römischen Rechts beigetragen haben, so kann man auf dieselben Umstände hinweisen, welche wir früher mit Beziehung auf Deutschland besprochen haben, und wohl in erster Linie auf den Einfluss des canonischen Rechts und die Sympathie der gelehrten Juristen
„Der Juristenstand isolierte sich vom Volk, schöpfte sein gesamtes Bewusstsein aus den fremden Quellen und brachte die so gewonnenen fremden Schulbegriffe rein äußerlich an die heimischen Verhältnisse heran. Das Volk seinerseits sah den Juristenstand mit Misstrauen an; die neuen Begriffe blieben ihm ebenso fremd und unverständlich wie die lateinischen termini technici und die Zitate römischer Stellen. “ So entstand ein Zwiespalt zwischen dem eigenartigen Rechtsbewusstsein und Rechtsleben des Volkes und dem künstlichen Apparat juristischer Technik. Juristenbewusstsein und Volksbewusstsein standen und stehen noch jetzt oft einander stracks gegenüber.
Die Rezeption ist eine Störung der normalen Entwicklung des vaterländischen Rechts gewesen. Daher kam es denn auch, dass dieser Prozess nicht ohne Entgegenwirken und Widerstand ablief – bald in der Gestalt formeller Proteste. So beklagte sich beispielsweise 1497 die baierische Ritterschaft „ quod multa fiant consuetudinibus contraria, unde deceptiones, errores et turbae oriuntur ; illi enim juris professores nostrum morem ignorant, nec etiam si sciant, illis nostris consuetudinibus quidquam tribuere volunt.
Ähnlicher Art waren die Beschwerden der württembergischen Stände vom Jahre 1514; sie bitten den Herzog: „er möge die Räte und Kanzlei mit Leuten besetzen, welche in diesem Lande geboren seien. Das Hofgericht möge, wenn es die Landschaft beträfe, mit ehrbaren, redlichen und verständigen Personen vom Adel und den Städten besetzt werden, die nicht doctores seien, damit den alten Gebräuchen und Gewohnheiten unabbrüchig geurteilt und die armen Untertanen nicht also irre gemacht werden.“
Auch der tirolische Landtag hat wiederholt (1567, 1619, 1632) gegen das römische Recht protestiert und verlangt, „es solle nach dem Gebrauch und Gewohnheiten geurteilt werden.“
1513 brach in Worms ein Aufstand aus, wobei die Bürger verlangten, die Doktoren sollten aus dem Gerichts- und Ratssaal verbannt werden; und der Rat von Lübeck beklagte sich 1555 bei dem Reichskammergericht bitter über das Aufdrängen des römischen Rechts an Stelle des Stadtrechts, und ersuchte, „ man wolle die Stadt mit kaiserlichen Rechten, die wir nicht ertragen mögen, nicht beschweren lassen; “ hierbei können wir auch die durch Zöpfl mitgeteilte Erzählung nicht unerwähnt lassen, wie noch im 16. Jahrhundert die Schöffen von Frauenfeld im Thurgau einen doctor juris aus Konstanz, der es gewagt hatte, vor ihnen den Bartolus und Baldus zu zitieren, zur Tür hinauswarfen mit den Worten:
„Höret ihr Doctor, wir Eidgenossen fragen nicht nach dem Bartele oder Baldele und anderen Doktoren, wir haben sonderbare Landgebräuche und Rechte: Raus mit Euch, Doctor! raus mit Euch!“
Zahllos sind die Klagen über die Servilität der Juristen gegenüber Fürsten und Machthabern, über ihre übermütige Geringschätzung des nationalen Rechts, ihre rabulistischen Kunstgriffe und absolutistischen Lehrsätze, wodurch sie ihr eigenes Ansehen und die Macht der Landesherren zu vergrößern suchten, wodurch sie sich aber auch zugleich die Abneigung und das Misstrauen des Volkes auf den Hals luden, sodass es nicht befremden kann, dass durch Art. 5 der sogenannten Reformatio Friedrich’s III. und den damit beinahe wörtlich übereinstimmenden Art. 4 des Vorschlags zur Reformation im Bauernkrieg von 1525 nichts Geringeres als eine allgemeine Vertreibung der doctores verlangt wird:
„alle Doctores der Rechten, sie seiend Geistlich oder Weltlich, sollen an keinem Gericht, bei keinem rechten, auch in keines Fürsten oder andern Räten mehr gelitten, sonder ganz abgetan werden. Sie sollen auch fürbas hin vor Gericht oder Recht nit weitter reden, schreiben oder rathgeben“, denn, so heißt es in den Motiven, das Recht ist ihnen noch mehr verborgen als den Laien und Niemand kann die Auflösung finden, bis beide Parteien arm geworden und zu Grunde gerichtet sind.
Man lasse sie hingehn um die heilige Schrift zu lesen und zu predigen, sagen die Bauern, denn es werden viele Personen durch ihre Verzögerungen und Ausflüchten verderbt. Der Hass gegen die Doktoren, welcher sich zeigt, ist Hass gegen die weltliche und noch mehr wider die geistliche Obrigkeit überhaupt“. Die Proteste der Landtage ließen sich meistens da hören, wo nationale Privilegien angegriffen oder bedroht wurden. Sie waren auch viel mehr gegen die fremden Doktoren gerichtet, die das Recht verwirrten und die Prozesse kostspielig machten, als gegen das fremde Recht, mehr motiviert durch das unverständige Benehmen derselben und ihre gehässigen Privilegien als durch eine Kränkung des Nationalgefühls durch die Autorität des römischen Rechts.
„Die Theologie auf der einen Seite, die Rechtswissenschaft auf der andern wurden mit Eifer, ja mit Leidenschaft bearbeitet, und nun war es begreiflich, wie man jeden Gewinn des einen als Verlust für das andere betrachten konnte.“
Schmidt, kann dieser Erklärung nicht zustimmen und schreibt die Abneigung der Kirche dem heidnischen Ursprung und dem irreligiösen Geiste des römischen Rechtes. Aber zunächst beweist er nicht, was er sagt, sondern geht darüber hin mit den Worten, „dass die Kirche diesen Grund nicht aussprechen konnte.“ Warum nicht? Ist dieser Grund so töricht, dann durfte ihn Schmidt auch nicht ohne Beweis anführen. Oder ist die Kirche so bescheiden? S. auch Stobbe in der Krit. Vierteljahresschrift, il, S. 14. Sodann aber kommt er durch diese Erklärung mit der früheren Sympathie der Kirche für das römische Recht in Widerspruch. Es wird also wahrscheinlich nicht an dem Inhalt des römischen Rechts gelegen haben, denn der ist derselbe geblieben, sondern an den veränderten Zeitumständen, an der Befürchtung, dass das Evangelium durch das corpus juris verdrängt werden würde.
Wir haben es hier nicht mit einem einzelnen Volk zu tun, das eine, einzelne fremde Rechtseinrichtung herübernimmt oder fremde Rechtsgrundsätze in den nationalen Rechtsstoff hinein verarbeitet, sondern wir sehen hier Italiener, Sachsen, Franken, Bayern, Schwaben, Alemannen, Friesen u. S. W. sich ungefähr gleichzeitig mit Aufopferung ihrer einheimischen Rechtseinrichtungen in höherem oder geringerem Grade der Autorität des römischen Rechts unterwerfen. Die Tatsache, dass Deutschland und die Niederlande die Beschäftigung mit dem vaterländischen Recht und dessen Entwicklung auf einmal haben vernachlässigen und durch das römische Recht verdrängen lassen, die Tatsache, dass der qui jus romanum allegat, fundatam habet intentionem und dass der Grundsatz befolgt wird:
statuta stricte sunt intelligenda contra jus commune,
die Tatsache ferner, dass z. B. Simon von Leeuwen lehrt die Auslegung aller Konstitutionen, Verordnungen, Ausschreiben, Statuten und Gewohnheiten müsse dem Vorbild des römischen Rechtes angepasst und in zweifelhaften Fällen müsse sie dergestalt einschränkend gehandhabt werden, dass das genannte römische Recht so wenig als möglich beleidigt oder gekränkt würde, die Wahrheit endlich die Jhering selbst ausgesprochen hat, „dass unser juristisches Denken, unsere Methode, unsere Anschauungsweise, kurz unsere ganze juristische Bildung römisch geworden ist“:
Alles dies lässt sich doch nicht durch einen Hinweis darauf erklären, dass man in Deutschland und den Niederlanden ja auch französische Weine trinkt und orientalische Früchte isst. Oder sollte Jhering vielleicht meinen, Muther: „Zur Quellengeschichte des deutschen Rechts, a. a. 0. S. 436 : „ Dem jus civile der Römer gegenüber stellt sich das allmähliche Prävaliren des jus gentium auch als eine Rezeption dar, nur dass die Römer das, was sie recipierten, selbständig wissenschaftlich fassen und gestalten mussten.
Keinem Volk von ausgeprägter Charaktereigentümlichkeit mit einem derselben entsprechenden Nationalrecht bleibt bei mehr entwickelten Verkehrsverhältnissen die Rezeption von jus gentium erspart.“ Muther hebt dann hervor, wie auch das alte Recht der Germanen ein jus civile gewesen sei, und wie, den Fall einer nur gemeinrechtlichen, nicht partikularrechtlichen Rezeption vorausgesetzt (einer Aufnahme nur als subsidiäres gemeines Reichsrecht, nicht als ein auch das partikuläre auflösendes und zerstörendes) es die günstigste Lage gewesen wäre, ein jus gentium sich nicht erst schaffen zu müssen, sondern ein solches in wissenschaftlicher Vollendung vorzufinden.
Das freie schiedsgericht Kininigen
steht deswegen für die lebendigen, geistig sittlichen Vernunftwesen zur Verfügung. Dazu mehr in diesem Beitrag:
was ist also die Lösung?
sich umdrehen und gehen
Raus aus dem System. Ihm sein ganzes Ich, seine Kraft und seine Werte entziehen, indem man sich entzieht. Den Namen, der nicht unserer ist, ablegen. Auf dem Spielfeld des Systems kann kein lebendiges, geistig sittliches Vernunftwesen gewinnen. Denn dazu ist es nicht ausgelegt und war es nie. Dies ist das große Geheimnis, was einem keiner sagt. Es ist ihr Spiel, ihre Regeln.

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Ansonsten sind wir für die Verteilung dieses Wissens, im Sinne eines jeden Wesens, dankbar.